Nacht ohne Schatten
Fasern in ihrer Wohnung sichergestellt«, sagt Karin Munzinger.
»Sie kann den Mantel im Atelier aufbewahrt haben.«
»Nada ist tot«, sagt Judith. Warum ist sie so sicher? Siekann es nicht begründen, aber es hat etwas mit ihren Träumen zu tun, dem Fallen. Auf einmal beginnt sie zu frieren. Etwas kommt näher, bedroht sie persönlich, aber sie weià nicht, was es ist. Was oder wer. Du hast einen Kater, Judith, reià dich zusammen.
»Das ist nur eine Vermutung von dir.« Kühn wirft seinen Kuli auf den Block.
»Genauso wie die Annahme, dass sie noch aktiv als Prostituierte arbeitet und sich auf einen Rachefeldzug für Swetlana begeben hat. Oder gibt es dafür inzwischen einen Beweis?«
»Wir sind dran.« Makowski, na klar. Wieso hält sich eigentlich Manni heute zurück? Er wirkt abwesend, bedrückt, aber vielleicht bildet sie sich das nur ein.
»Seit dem 6 . Januar, seit zehn Tagen also, gibt es keinerlei Lebenszeichen von Nada.« Es ist so eindeutig, denkt sie. Warum will es denn niemand sehen? Weil es bequem ist, Frauenverachtung ausschlieÃlich im Rotlichtmilieu zu suchen.
Niemand sagt etwas, die Erwähnung des Datums hat die Kollegen verstummen lassen. Zehn Tage ArschaufreiÃen ohne Durchbruch, heiÃt das im Klartext. Die Presse ist kurz davor, sie zu schlachten.
»Ich habe am Wochenende eine weitere Zeugin aus der Kunstfabrik gefunden, die bestätigt, dass Nada am 4 . Januar in ihrem Atelier eine lautstarke Auseinandersetzung mit einem Mann hatte.«
Makowski verdreht die Augen.
Was würde passieren, wenn sie ihn anbrüllt? Druck ablassen nennt man das. Den Druck, der sich aufbaut, seit Tagen schon. Sie starrt den Sittekollegen an. Dann Kühn, der seinen Kuli wieder in der Hand hält und damit ungeduldig auf seinen Schreibblock tippt. Millstätt. Manni. Sie werden sie als hysterisch bezeichnen, wenn sie schreit, klar. Nein, den Gefallen tut sie ihnen nicht.
»Okay, von mir aus, Nada hat mit jemandem gestritten«, räumt Makowski ein. »Aber das Interessante ist doch, worüber? Ãber die Zukunft der Kunstfabrik? Mit einem Konkurrenten? Oder über Swetlana?«
»Die Zeuginnen gehen davon aus, dass es sich bei diesem Streit um einen Beziehungskonflikt handelte. Nada hatte viele Affären. Vielleicht wollte sie mit einem Liebhaber Schluss machen, der lieà sich aber nicht wegschicken, und dann ist der Konflikt eskaliert.«
Makowski schiebt seine Sweatshirtärmel hoch. »Bleiben wir bei den Fakten. Nada hatte Verbindungen ins Milieu. Wir wissen mit ziemlicher Sicherheit, wer Swetlanas Zuhälter ist. Wir sind ganz dicht an ihm dran. Eins seiner Mädchen kennt Swetlana.«
»Ihr habt ihre Identität?«
»Wir sind noch nicht fertig, die Befragung erfordert viel Fingerspitzengefühl.« Es ist Makowski anzusehen, dass ihn das nervt.
»Ihr habt also eigentlich nichts, jedenfalls nicht mehr als ich.« Judith unterdrückt ein Lächeln.
»Bitte keine persönlichen Anwürfe, Judith.« Millstätts Bitterschokoladenblick saugt sich an ihr fest, und ihr erster Impuls ist, klein beizugeben, so wie sie es in den letzten Monaten getan hat, doch aus irgendeinem Grund geht das nicht mehr.
»Ich bin es leid, mich hier dauernd abkanzeln zu lassen, als wäre jedes Motiv, das nicht im Rotlichtmilieu wurzelt, indiskutabel oder meine persönliche fixe Idee.«
»Sei nicht so empfindlich, Judith. Lass uns bei den Fakten bleiben.«
»Fakten, genau!« Jetzt schreit sie doch, das rasende Hämmern in ihrem Kopf ignorierend. »Ich war am Samstag nach Einbruch der Dunkelheit noch mal am Tatort Berger! Man kann von der S-Bahn-Haltestelle nicht nur die Pizzeria, sondern auch die Kunstfabrik sehen!« Die Kollegen starren sie an wie ein exotisches Tier. Judith atmet tief durch, zwingt sich, die Stimme wieder zu senken.
»Wir dürfen nicht nur auf die Pizzeria blicken, wir müssenoffen bleiben, in alle Richtungen ermitteln. Gibt es eine Verbindung zwischen Wolfgang Berger und der Kunstfabrik? Vielleicht musste er sterben, weil er dort etwas oder jemanden beobachtet hat.«
»Du hast am Samstag selbst gesagt, das Objektiv von Nadas Kamera sei auf die Gleise gerichtet gewesen.« Axel Millstätt spricht betont leise und beherrscht.
Verdammt, ja. Judith fühlt, wie ihr Hitze ins Gesicht steigt, obwohl sie immer noch friert. »Vielleicht hat Nada die Kamera auf
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