Nacht ohne Schatten
Murmeltier.
Ich kann das nicht, hat sie gesagt. Es tut mir so leid.
Ungläubig hat Manni sie angestarrt, nicht begreifend, was sie meint.
Du bist sauer, weil ich Freitagabend abgesagt habe.
Nein.
Hab ich was falsch gemacht, dich verletzt, irgendwas gesagt?
Es liegt nicht an dir, Fredo. Fast geflüstert hat sie das und dabei seine Hand gestreichelt. Manfredo, Fredo, der Kosename, den sie ihm gegeben hat.
Es liegt an mir, Fredo. Ich kann das nicht. Du kommst mir zu nah.
Sie will ihn verlassen, weil es zu schön mit ihm ist? Zuerst hat er lachen wollen, überzeugt, er habe sich verhört. Aber Sonja hat ganz ernsthaft weitergesprochen. Von ihrem Massagesalon. Vom Studium. Wie schwer es gewesen sei, das alles aufzubauen. Wie ihr Exfreund sie immer behindert habe mit seiner Eifersucht, die sie zunächst für Liebe hielt. Wie sie erst allmählich begriff, dass er sie nur kontrollieren und runtermachen wollte, dass es aber in Wirklichkeit er war, der sie betrog. Wie sie dann trotzdem noch lange gebraucht habe, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen, sich von ihm zu lösen, frei zu sein.
Ich bin Kommissar, ich hab überhaupt keine Zeit, dich zu kontrollieren, wollte Manni sagen. Ich betrüge dich nicht. Aber dann war er plötzlich nicht mehr sicher, ob er ihr das wirklich versprechen konnte. Und Sonja redete schon weiter, immer noch seine Hand festhaltend.
Du warst plötzlich da, Fredo, und ich fand dich sexy und toll und wollte ein bisschen SpaÃ.
SpaÃ?
Tränen liefen ihr jetzt über die Wangen, verwandelten sich in Sturzbäche, sie wischte sie nicht weg.
Wir hatten doch SpaÃ, oder etwa nicht?
Was ist los, Sonja, hast du einen anderen? Hab ich dir irgendwas getan?
Ich hab einfach Angst, Fredo, Angst, dass ich mich verliere, Angst, dass du mich verletzt, lass mich jetzt bitte allein.
Wie du willst. Ruf mich an, wenn du es dir anders überlegst.
Manni ballt die Faust, drischt einen Oizuki in die Luft. ScheiÃe noch mal, warum hat er das gesagt? Er hätte sie in denArm nehmen sollen, schütteln, küssen, anschreien, wieder zur Besinnung bringen, irgendwas.
»Stör ich? Kann ich mal mit dir reden?«
Judith Krieger, ausgerechnet. Irgendwie ist es ihr beim Morgenmeeting doch wieder gelungen, Millstätt auf ihre Seite zu ziehen, sogar den Anfänger hat der KK-11-Chef ihr für ein paar Stunden zugeteilt, was also will sie von ihm? Sie lässt sich auf Kühns Stuhl fallen, der leer ist, weil Kühn wie immer pünktlich um zwölf in die Kantine gestiefelt ist. Sie fummelt an ihrer Nagelhaut rum, wahrscheinlich, weil sie hier nicht rauchen darf.
»Mir platzt der Kopf«, verkündet sie. »Ich kriegâs alles nicht zusammen. Die albanische Mafia passt einfach nicht.«
Manni schiebt ihr den Bericht rüber, den er soeben verfasst hat. Igor Popolow heiÃt das Schwein, das mit ziemlicher Sicherheit die Kleine aus dem Saunaclub, Swetlana und wer weià wie viele Mädchen noch auf dem Gewissen hat. Ein Spätaussiedler aus WeiÃrussland, seit 1985 im Besitz eines deutschen Passes. Das LKA hatte den auch schon mal im Visier und konnte nichts beweisen, wir müssen vorsichtig sein, dürfen nichts überstürzen, ist Makowskis Ansage. Laberlaber.
Die Krieger überfliegt das Ergebnis von Mannis Mühen. »Meinst du, dieser Popolow macht gemeinsame Sache mit den Albanern?«
»Wir finden es raus«, sagt Manni mit mehr Zuversicht, als er tatsächlich verspürt. Hat jemand ihn und die kleine Russin in diesem trostlosen Hinterzimmer beobachtet, oder hat er sich das nur eingebildet, wie so oft in letzter Zeit? Wenn ihn jemand beobachtet hat, ist die Kleine sicher längst woandershin verschleppt worden, unauffindbar, ohne Spur. Das alles ist ein Fass ohne Boden, nein, ein Sumpf. Die Krieger schiebt den Bericht wieder zu ihm zurück. Manni nimmt die FüÃe vom Tisch, stützt sich auf die Ellbogen, sieht sie an, erkennt auf einmal, wie verdammt müde und kaputt sie offenbar ist, das hat er auf der Konferenz gar nicht gemerkt.
»Was willst du, Judith?«
»Reden. Ideen austauschen, wie sonst auch. Wir sind doch eigentlich ein ziemlich gutes Team.«
Eis, sehr dünnes Eis, irgendwo in Mannis Hinterkopf schrillt eine Alarmglocke. »Klar, wir verfolgen halt gerade nur zwei verschiedene Theorien.«
»Aber wir arbeiten dabei gegeneinander, feinden uns bei den Meetings an, es ist wie ein
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