Nacht ohne Schatten
sich Absatzpantöffelchen und Sandaletten. Ganz oben Unterwäsche in verschiedenen Farben.
»Arbeitskleidung!« Aus spitzen Fingern lässt seine Kollegin einen weiÃen Stringtanga zurück in die Schublade fallen.
»So was gibtâs doch heute in jedem Kaufhaus.«
»Und wieso hat sie nur so Zeugs und überhaupt keine StraÃenkleidung? Und wo ist ihr Ausweis? Und auÃerdem â¦Â«, die Krieger tippt vielsagend auf die Kondomschachtel.
»Verhüterli.« Aus irgendeinem Grund will Manni sie provozieren. Vielleicht weil es ihm auf den Zeiger geht, wie die Knaben von der Feuerwehr um sie herumgockeln. Oder weil es für sie überhaupt keine andere Möglichkeit zu geben scheint, als dass das Mädchen hier zur Prostitution gezwungen wurde. Vielleicht auch nur, um sich davon abzulenken, wie deprimierend dieser Keller tatsächlich ist.
»Komm schon, Manni.« Judith Kriegers Augen schieÃen Blitze.
»Ja, ja, ja! Du hast ja recht. Das ist kein normales Mädchenzimmer hier. Ich will ja auch nur, dass wir offenbleiben und in alle Richtungen ermitteln.«
»Als da wären?«
»Vielleicht ist das gar kein Gefängnis, sondern ein Versteck.«
»Die Tür war aber von
auÃen
verriegelt. Die Feuerwehrleute mussten sie aufbrechen, so gut war die gesichert.«
»Ja, schon, aber was war vorher? Wurde sie mit oder ohne Einverständnis des Mädchens verschlossen? Vielleicht geschah es ja zu ihrem Schutz?«
»Der barmherzige Pizzabäcker als Retter missbrauchter Mädchen? Oder der barmherzige Brandstifter? Ein rührender Gedanke.«
»Aber doch nicht völlig auszuschlieÃen.«
Die Krieger ist Profi genug, dem nicht zu widersprechen. In der sich anschlieÃenden Gesprächspause überlegt Manni unwillkürlich, was sie wohl für Wäsche trägt. Blümchen? Rote Spitze? Sehr unwahrscheinlich. Wenn schon was Extravagantes, dann in Schwarz. Würde ihr das stehen? Der satte Knall, mit dem seine Kollegin die Kommodenschublade zurammt, beendet seine Gedankenspiele.
»Das Feuer«, sagt er und fühlt sich wie ein Pennäler, den seine Lehrerin dabei erwischt, wie er unter Mädchenröcke schielt.
»Ja?« Die Krieger verschränkt die Arme vor der Brust.
»Wenn jemand wollte, dass das Mädchen verbrennt, hätte er doch die Feuerschutztür geöffnet.«
»Er wollte vermeiden, dass sie wegläuft, und baute darauf, dass die Klimaanlage ausfällt.«
»Oder er dachte, die Feuertür schützt sie.« Manni merkt selbst, wie lahm das klingt.
»Wer ist sie überhaupt?«, fragt Judith Krieger.
Wer, warum? Was für einen Zusammenhang gibt es zwischen der Brandleiche im ersten Stock, dem S-Bahn-Fahrer und dem Kellermädchen? Immer neue Fragen, auf die sie keine Antworten haben. Und wo steckt Sonja in dieser Nacht? Noch so eine Frage, die ihn nervt.
»Der Gastraum hat ein Hinterzimmer, die Tür war nur angelehnt, als ich gestern die Pizza holte. Ich hatte den Eindruck, da war jemand drin«, sagt die Krieger nachdenklich. »Und der Inhaber war ordentlich nervös, als er meinen Dienstausweis sah.«
»Aber du hast ihn nicht nach dem Hinterzimmer gefragt.«
»ScheiÃe, nein. Ich hab nicht mal richtig drauf geachtet. Hab einfach gedacht, der ist so nervös, vielleicht hat er doch wasgesehen. Ich wollte wiederkommen. Mich vorher beim Gewerbeamt nach ihm erkundigen.«
Manni betrachtet die Kleenexschachtel auf dem Boden, die fleckige Matratze, die Kondome auf der Kommode.
»Wir brauchen die Sitte.«
»Und wir brauchen Platz, um hier zu arbeiten.« Die Spurensicherer poltern in den Keller und verscheuchen sie. Auch oben im Gastraum sind jetzt Brandermittler im Einsatz, zu überzeugt von der Wichtigkeit ihres Tuns, als dass sie sich zu Spekulationen über die Brandursache hinreiÃen lieÃen. Warten, immer dieses verfluchte Warten.
Die Gaffer aus den Nachbarhäusern haben sich in ihre Betten verzogen. Nur zwei Pressegeier liegen noch auf der Lauer. Einer hat sogar seine Hausaufgaben gemacht.
»KHK Krieger«, krakeelt er. »Bitte, Frau Hauptkommissarin, nur einen Moment!«
Zu Mannis Erstaunen schreitet seine Kollegin tatsächlich zu den Männern hinüber und spricht mit ihnen. Brav trotten die beiden danach zu ihren Autos.
»Was hast du ihnen gesagt?«, fragt Manni.
»Dass ich mich bald bei ihnen melde, weil wir vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher