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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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der Bucht die Spur, die ein Boot durch die zwischen den Baumstümpfen treibende Algenschicht gezogen hatte. Ich richtete den Lichtstrahl zwischen die Bäume und sah eine Schattengestalt, den dunklen Umriss eines vornübergebeugten Mannes, einen Schwall schmutzig goldenen Wassers, das nach hinten spritzte, als die Piroge hinter einer mit Zwergpalmen überwucherten Schlammbank verschwand.
    »Aaron?«, rief ich in die Dunkelheit.
    Doch niemand antwortete.
    Ich rief mir das Bild noch einmal vor Augen – die breiten Schultern, eine Hand, die einen Zweig beiseite zog, ein kurzer, stämmiger Hals, so als säße der Kopf unmittelbar auf dem Oberkörper. Aber genau genommen hatte ich überhaupt nichts deutlich erkennen können, nur einen Mann, der tief in einer Piroge hockte, und ...
    Einen schmalen, schimmernden Gegenstand am Heck. Ein Stück Metall, dachte ich. Eine Kette womöglich. Oder der Lauf eines Gewehrs.
    Mein Flanellhemd roch nach saurem Schweiß. In der Stille zwischen den Bäumen konnte ich mein Herz schlagen hören.
    Alafair war noch in der Schule, als ich an diesem Tag in der Mittagspause nach Hause kam, und Bootsie war weg. An dem Korkbrett, an dem wir einander Nachrichten hinterließen, hing keine Notiz. Ich machte mir ein Sandwich, nahm mir ein Glas Eistee, wärmte eine Schüssel mit ungeschältem Reis auf und aß am Küchentisch. Batist rief aus dem Köderladen an.
    »Dave, draußen auf dem Bootsanleger is’ ’n Haufen Schwarzer, die Bier trinken und lästerliche Reden führn«, sagte er.
    »Wer sind sie?«, fragte ich.
    »Der eine hat einen Arm zu wenig, und statt einem Haken hat er ein Messer am Stumpf.«
    »Ein was?«
    »Komm und schau’s dir an, weil ich sie nämlich gleich davonjag.«
    Ich ging zwischen den Bäumen hindurch die Böschung hinab. Ein neuer Dodge Caravan war neben der Betonrampe geparkt, und am Ende des Bootsanlegers standen fünf schwarze Männer mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und tranken Bier, während Jimmy Ray Dixon einen über einen halben Meter langen gelben Wels ausnahm, der mit den Kiemen an einem Nagel am Laternenpfahl hing.
    Eine spitze, geschwungene Klinge, die so scharf geschliffen war, dass sie bläulich schimmerte wie ein Rasiermesser, war in die mit Leder bezogene Metallprothese am Stumpf von Jimmy Rays linkem Unterarm geschraubt. Er führte die Klinge einmal rund um die Kiemen des Welses, setzte sie dann beiderseits der Rückenflosse an, schnitt schnurgerade nach unten durch und zog dann die Haut mit einer Zange ab, die er in der rechten Hand hatte. Er schlitzte den Bauch vom Kiemenansatz bis zum After auf und ließ die Innereien herausfallen wie einen Sack blaurotes Gelee.
    Seine Segeltuchschuhe waren voller Blutspritzer. Er grinste.
    »Den hab ich von ’nem Mann gekauft, der ihn im Henderson mit ’nem Wurfnetz gefangen hat«, sagte er.
    »Wollt ihr euch ein Boot mieten?«
    »Ich hab gehört, dass man hier nicht viel fängt.«
    »Derzeit fängt man nirgendwo viel. Das Wasser ist zu kalt.«
    »Ich hab zwei Leute am Hals, die mir Scherereien machen. Ich glaub, dass Sie dahinterstecken«, sagte er.
    »Wollen Sie nicht erst das Publikum wegschicken?«, sagte ich.
    »Lasst mich mal ’n Moment allein«, sagte er zu den anderen Männern. Sie trugen Tropenhemden, alte Hosen, Schuhe, die sie nicht pflegten. Aber Angler waren sie nicht. Sie hatten die Hand am Schritt, drückten sich geradezu genüsslich die Genitalien; ihre Blicke folgten einer schwarzen Frau, die auf der Straße vorbeiging; sie tuschelten miteinander, doch ihr Gespräch drehte sich um nichts und wieder nichts.
    Sie wollten in den Laden gehen.
    »Geschlossen«, sagte ich.
    »Hey, Jim, wir klaun Ihnen schon nicht die Wassermelonen«, sagte Jimmy Ray.
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die rassistische Anrede unterlassen würden«, sagte ich.
    »Macht die Kühlbox in der Karre auf. Ich komm gleich«, sagte er zu seinen Freunden. Er schaute ihnen nach, als sie gemeinsam den Steg entlang auf ihren Van zugingen.
    »Folgendermaßen sieht’s aus«, sagte er. »Dieser Knacker namens Cramer – ja, Sie ham’s kapiert, die weiße Type von der Mordkommission, die immer nach Deodorant riecht – taucht drunten in meinem Poolsalon auf und fragt mich, warum Jerry the Glide in der Gegend gewesen is’, als ihm jemand sämtliche Gräten gebrochen hat.«
    Nicht schlecht, Cramer, dachte ich.
    »Dann hört Ihr Freund Purcel von ’nem zugeknallten Straßenchick, dass Mookie Zerrang die Erlaubnis hat, ihm das Licht

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