Nacht ueber den Highlands
beide behaupten, das Medaillon stamme von seinem Vater.«
Stryder starrte die beiden wie betäubt an. Seine Gedanken rasten. Wie war das möglich? Er hatte seines Wissens nie ein Kind gezeugt, schon gar nicht eines, das von einer sarazenischen Amme betreut wurde.
»Sprechen sie französisch?«, fragte er Rowena.
»Nein.«
»Gut«, sagte er. Wenigstens etwas. »Denn ich will nicht fragen, wer die Mutter des Knaben ist. Weißt du
es?«
»Ja.«
»Und?«
»Er sagt, es war Elizabeth.«
Abermals war er wie vor den Kopf gestoßen. »Deine Elizabeth?«
»Genau«, bestätigte Rowena zutiefst bekümmert.
Allmächtiger. Auch das noch. Das Letzte, was er im Moment gebrauchen konnte, war, dass Rowena glaubte, er hätte sich mit einer ihrer Hofdamen vergnügt. »Aber ich habe sie nie angefasst. Nie. Ich schwöre es.«
Rowena berührte beschwichtigend seinen Arm. »Ich weiß, Stryder. Glaub mir, ich weiß es.«
Stryder fiel ein Stein vom Herzen. Er war froh, dass
Rowena vernünftig war und nicht wie eine Furie herum, kreischte, weil er angeblich ihre Freundin verführt hatte. Er ging vor dem Knaben auf ein Knie, nahm das Medaillon in seine Hand und betrachtete es gründlich.
Es war tatsächlich das Wappen seines Vaters. Dieses Medaillon hatte er schon im Heiligen Land dabeigehabt, da war er kaum älter als der Junge jetzt gewesen.
Stryder schloss unwillkürlich die Augen. Wieder sah er jenen Tag vor sich, an dem sie in Gefangenschaft geraten waren. Er hatte Damien damals das Wappen aufgezwungen.
»Sag ihnen, du wärst mein Bruder, Damien. Wenn sie glauben, dass du nicht weiter wichtig bist, werden sie dich in Ruhe lassen.«
Damien hatte verächtlich den Mund verzogen. »Aber ich bin wichtig.«
Stryder hatte ihm das Medaillon trotzdem aufgedrängt. Danach hatte Stryder es nie wieder gesehen. Tatsächlich hatte er jahrelang überhaupt nicht mehr daran gedacht.
Der Junge leckte sich nervös die Lippen. Sein Blick huschte zwischen Stryder und dem Medaillon hin und her.
»Bist du mein Vater?«, fragte der Junge auf Arabisch.
Stryder fürchtete sich zu antworten. Es konnte dies ja ein Trick seiner Feinde sein, um ihn oder seine Männer zu verwirren. Wenn das der Fall war, dann würde es den Verantwortlichen schlecht ergehen. Stryder hielt nichts davon, mit dem Leben und den Gefühlen eines unschuldigen Kindes zu spielen.
»Wo hast du das her?«, erkundigte er sich bei dem Knaben.
»Mein Onkel hat’s mir geschenkt.«
Stryder musterte das Kind mit schief geneigtem Kopf. »Dein Onkel?«
»Ja. Er kommt aus einem Land, das Frankreich heißt. Nana hat gesagt, wir sind auf dem Weg hierher da durchgekommen, aber sie wusste nicht genau, wo mein Onkel gelebt hat, als er noch ein Junge war. Er hat mir immer von Frankreich erzählt und von meinem Vater, und wie sie als Jungen dem Koch und anderen Jungen immer irgendwelche Streiche gespielt haben. Hast du auch einen Koch?«
Stryder schüttelte ungeduldig den Kopf. Das war es nicht, was er hören wollte. »Was genau hat dir dein Onkel über deinen Vater erzählt?«
»Dass mein Vater der tapferste Ritter auf der ganzen Welt ist. Er hat gesagt, dass ich ihn eines Tages finden werde und dass mein Vater dann gut auf mich aufpassen wird, so wie er versucht hat, auf meinen Onkel aufzupassen, bloß dass mein Onkel unartig war und nicht auf ihn hören wollte. Er hat gesagt, der Teufel holt alle Jungen, die nicht auf die Erwachsenen hören.«
Das musste sich Stryder erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Je mehr der Knabe erzählte, desto mehr hatte er den Eindruck, dass er von Damien sprach, aber das war absurd. So, wie Damien ihn hasste, konnte er sich nicht vorstellen, dass er je ein gutes Wort über ihn verloren hatte.
Geschweige denn einem Knaben von ihrer Kinderzeit vorschwärmen würde.
»Und deine Mutter?«, fragte Stryder. »Warum bist du nicht bei ihr?«
Er blickte zu der Alten hin.
»Er wurde ihr schon bald nach der Geburt weggenommen«, antwortete die Alte. »Er erinnert sich nicht an sie.«
»Und sein Onkel?«
Sie zuckte mit ihren knochigen Schultern. »Man hat ihn vor drei Jahren gegen seinen Willen fortgebracht. Wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist.«
Beim Gedanken an Damien und den Knaben zog sich Stryder der Magen zusammen. Sie mussten eine ganze Zeit lang miteinander verbracht haben, wenn ein Junge seines Alters sich nach dieser Zeit noch an so vieles erinnerte, was Damien ihm erzählt hatte.
»Was ist mit dem Jungen?«, fragte Stryder die alte
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