Nacht ueber den Highlands
Allmählich habe ich das Gefühl, dass ich Euch, eh der Monat um ist, mehr schulden werde, als ich Euch je vergelten kann.«
»Nein, Mylady. Es war nichts. Ich konnte noch nie dabeistehen und zusehen, wenn andere, Schwächere, gehänselt und getriezt werden. Das ist so unnötig. Das Leben ist schwer genug.«
»Ja, das ist es.«
Sie nahm seine Hand und bemerkte jetzt erst, dass seine Knöchel blutig waren. »Ihr habt Euch verletzt!«
Er tat es mit einem Schulterzucken ab. »Hugh hat einen harten Schädel.«
Sie runzelte die Stirn über den leichtfertigen Ton, in dem er die Verletzung abtat. »Kommt, das muss versorgt werden.«
Stryder führte sie zu seinem Zelt zurück, wo er sein Verbandszeug aufbewahrte. Er zog eine kleine Kiste mit Binden und Heilsalben hervor.
Rowena nahm sie ihm aus der Hand und bedeutete ihm, sich zu setzen, damit sie sich um die aufgeschrammte Hand kümmern konnte.
Während sie seine Waschschüssel und einen Wasserkrug holte und schließlich noch den Weinschlauch, folgten ihr seine Blicke; er schien sich nicht an ihr satt sehen zu können. »Ich begreife nicht, wie Ihr mein Verhalten gutheißen könnt, wo Ihr doch jedwede Gewalt verdammt.«
Rowena hielt kurz inne. Ehrlich gesagt verstand sie es seihst nicht so ganz. Aber aus irgendeinem Grund konnte sie an seinem heutigen Verhalten nichts Verdammenswertes finden. Sie fand es ausnahmsweise sogar gerechtfertigt.
»Wir sind Freunde«, sagte sie, während sie seine Hand nahm und das Blut mit Wasser abwusch. »Das habt Ihr doch gesagt, nicht?«
»Aye.«
»Nun, Freunde akzeptieren die Fehler, Schwächen und Überzeugungen des anderen. Dennoch gebe ich zu, dass unsere Überzeugungen heute Abend nicht gar so weit auseinander lagen, als das gestern noch der Fall gewesen wäre.«
Dies bedachte er mit einem vergnügten Glucksen.
Rowena musste schlucken, als sie seine Hand betrachtete, so groß und dunkel im Vergleich zu ihrer weißen, weichen kleinen Frauenhand. Seine Finger waren schlank und kräftig. Starke, männliche Hände. Sie goss Wein darüber, um die Wunde zu desinfizieren. Er stieß unwillkürlich ein Zischen aus.
»Jetzt seid mal nicht so wehleidig«, schalt sie ihn.
Er ließ ihr die Bemerkung durchgehen.
Rowena holte nun eine kleine Dose mit einer weißen Salbe aus dem Kistchen, die sie über seine aufgeschrammten Knöchel strich. »Warum machen sich die Männer andauernd über Kit lustig?«, wollte sie wissen. »Er ist schließlich nicht der einzige Barde, der vom Kampf nichts versteht.«
Stryder wandte den Blick von ihr ab. »Manche denken, dass er mehr Weib als Mann sei.«
Rowena stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Unsinn. Kit ist nicht so, das weiß ich.«
»Ich bin derselben Meinung, aber man sieht ihn praktisch nie mit einer Frau, wenn Ihr versteht, was ich meine. Er scheint sich auch nie um eine Frau zu bemühen, außer vielleicht um Euch. Dagegen sieht man ihn oft in der Gesellschaft von Männern. Was mich angeht, so ist es mir egal, wie er sein Liebesleben gestaltet. Er ist mein Bruder und jeder, der ihm zu nahe tritt, bekommt es mit mir zu tun.«
Ohne zu überlegen, streckte Rowena die Hand aus und berührte zärtlich seine Wange. »Wenn es nur mehr solche Brüder gäbe.«
Zu ihrer Überraschung drehte er den Kopf und gab ihr einen sanften Kuss in die Handfläche.
Rowena wurde es auf einmal ganz warm. Was sie jedoch am meisten verstörte, war die überraschende Zärtlichkeit, die sie für ihn empfand. Die sie in ihm spürte. Er war ein solcher Schatz, so unerwartet, so kostbar.
Stryders Blick wich nicht von ihr. Wie gerne hätte er sie jetzt in seine Arme genommen, um noch einmal die Süße ihres Mundes zu kosten. Aber wenn er das täte, könnte er sie wahrscheinlich nicht mehr loslassen, und er wollte weder sie noch sich selbst in eine kompromittierende Situation bringen. Außerdem konnten sie beide romantische Verwicklungen im Moment nicht gebrauchen.
Im Übrigen hatte er das Gefühl, dass einmal nicht genug wäre. Nein, einmal würde seinen Appetit wahrscheinlich erst richtig wecken.
Sie wich ein wenig zurück und verband sorgfältig seine Hand. Ein eigenartiger Moment. Schon viele Frauen hatten sich darum gerissen, seine Wunden versorgen zu dürfen, doch keine hatte derartige Gefühle wie Rowena bei ihm geweckt.
»Seid bedankt, Mylady«, sagte er, als sie die Enden des Verbands feststeckte und die übrigen Sachen wieder in das Kästchen räumte.
»Es war mir ein Vergnügen.« Als sie das
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