Nacht ueber den Highlands
Fragen gestellt hatten, schüttelte sich, als wolle er einen klaren Kopf bekommen.
»Ich ...« Er konnte nicht weitersprechen. Es ging nicht. Er stellte auf einmal alles infrage, sich selbst, seine Familie.
Kit sprach nie über die Vergangenheit. Niemals. Seit dem Abend in Canterbury, als sie einander wiedergefunden hatten, war er mit keinem Wort auf die Jahre eingegangen, die seit ihrem Wiedersehen vergangen waren.
Genau genommen redete Kit so gut wie nie über persönliche Dinge. Und Stryder, mit seiner harten Vergangenheit, hatte dies verstehen können und ihn nie gedrängt.
»Damien lügt.«
»Worüber?«
Als Nassir dies sagte, merkte Stryder erst, dass er laut gesprochen hatte.
»Nichts«, sagte er, ging zu seinem Feldbett und legte sich hin.
Jetzt kamen auch Rowena und Zenobia wieder herein.
Rowena eilte sofort zu ihm ans Bett und schob seine Hand, mit der er das Tuch auf die Wunde drückte, beiseite, um sich den Schaden näher anzusehen.
Stryder schloss die Augen und genoss die tröstliche Berührung ihrer zarten Hände auf seinem kühlen Fleisch. Ihre offensichtliche Fürsorge war wie Balsam für seine verwundete Seele.
Sie war einfach wunderschön, wie sie ihn umsorgte.
Unbewusst streckte er die Hand aus und versenkte seine Finger in ihren langen blonden Tressen. Sofort fühlte er sich ein wenig besser. Der Gedanke, er könne seinen eigenen, geliebten Bruder in der Hand der Feinde zurückgelassen haben, war zu schrecklich, um es sich auszumalen.
»Ich brauche etwas Wein, Nadel und Faden«, sagte sie zu Nassir. »Die Wunde muss genäht werden.«
Sie blickte Stryder an, und in diesem Augenblick geschah etwas mit ihm. Keine Frau hatte ihn je so angesehen. Er verhärtete sich jäh, sein ganzer Körper zog sich zusammen, er brannte danach, ihre süßen Lippen zu küssen. Seine Verwundung war beinahe vergessen.
»Ich glaube, er hat sie nicht mehr alle«, meinte Swan von hinten. »Dieser Schlag auf den Kopf ist ihm nicht bekommen. Seht ihn euch an.«
»Aye«, stimmte Val zu. »Er ist nicht recht bei Trost. Vielleicht sollten wir ihm ein wenig Verstand einbläuen.«
Stryder war es egal, was seine Männer von ihm dachten. Er war nicht verwirrt, ganz im Gegenteil. Er war noch nie so klar gewesen.
Zum ersten Mal im Leben verstand er die Gefühle seines Vaters für seine Mutter ein wenig besser. Er verstand jetzt, wie man nur dasitzen und eine Frau ansehen konnte, ihr zusehen bei dem, was sie machte, während man sich innerlich nach ihr verzehrte.
Aber das änderte nichts.
Damien. Aquarius. Kit. Seine Männer. Sie waren sein Leben. Sie erinnerten ihn daran, dass er nie sesshaft werden könnte. So lange Kinder in Outremer gefangen gehalten wurden, würde er alles tun, um dafür zu sorgen, sie in ihre Heimat zurückzuführen.
Er würde niemals ruhen. Niemals.
Ganz egal, wie sehr er auch wünschte, es wäre anders.
Er riss seinen Blick von Rowena los und sah Kit im Hintergrund hinter seinen Männern stehen. Das Gesicht seines Bruders war ernst, die Stirn tief gefurcht.
Die ganze Zeit in der Zelle hatte Aquarius nie über seine Familie, seine Heimat gesprochen, nie etwas Persönliches preisgegeben. Stryder wusste nicht einmal, wie er überhaupt in Gefangenschaft geraten war.
Alles, was sich der Knabe gewünscht hatte, war, wieder nach Hause zu gelangen.
Konnte dieser Junge wirklich Kit gewesen sein?
Kit hatte kein Zuhause gehabt, als Stryder ihn fand. Ihr Halbbruder Michael hatte nichts weiter gesagt, als dass Kit einfach wieder aufgetaucht sei und dass er ihn rausgeworfen habe. Stryder war zu der Zeit viel zu erzürnt gewesen, um Kit zu fragen, wo er denn gewesen sei.
Jetzt wünschte er, er hätte es getan.
Sein Bruder hatte keine Tätowierung auf der Hand. Anders als die Mitglieder der Bruderschaft.
Nein. Kit konnte nicht Aquarius sein. Sein Bruder liebte ihn, daran gab es keinen Zweifel. Damien hatte behauptet, Aquarius würde ihn hassen, und dazu hätte der Junge sicherlich jedes Recht.
Aber in Kits himmelblauen Augen, die ihn ansahen, war keine Spur von Hass zu entdecken. Nur die Sorge um ihn, seinen Bruder.
Damien hatte dies nur gesagt, um ihn zu verletzen. Um ihn zu schwächen. Schon als Kind hatte sich Damien darauf verstanden, andere mit Worten zu verletzen.
Etwas zu behaupten, bedeutete noch lange nicht, dass es auch stimmte.
»Stryder?«
Sein Blick richtete sich wieder auf Rowena, die ihn besorgt anblickte. »Geht es Euch gut?«
»Aye«, sagte er mit einem kleinen Lächeln und
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