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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Liebling war. Für Peter wäre es eine Demütigung und bittere Enttäuschung gewesen, wenn nicht er Papas Platz einnehmen durfte. Nancy brachte es nicht übers Herz, es ihm zu verwehren. Also erklärte sie sich einverstanden, daß Peter die Leitung übernahm. Und da sie und ihr Bruder zusammen achtzig Prozent der Firmenanteile besaßen, konnten sie sich auch durchsetzen, wenn sie einer Meinung waren.
    Nat Ridgeway hatte gekündigt und eine Stellung bei General Textiles in New York angenommen. Das war ein Verlust für die Firma, aber auch für Nancy persönlich. Kurz vor Papas Tod hatten Nat und Nancy angefangen, miteinander auszugehen.
    Seit Sean, ihr Mann, gestorben war, war Nancy nie mehr ausgegangen. Sie hatte es nicht gewollt. Aber Nat kam zum richtigen Zeitpunkt, denn nach fünf Jahren hatte Nancy das Gefühl, daß ihr Leben nur noch aus Arbeit bestand, deshalb war sie bereit für eine Romanze gewesen. Sie waren ein paarmal zum Dinner ausgegangen und ins Theater und hatten sich mit einem Gutenachtkuß verabschiedet. Vielleicht hätten sie sich ineinander verliebt, aber dann starb Vater, und sein Tod veränderte alles. Und als Nat die Firma verließ, endete auch ihre Romanze, und Nancy fühlte sich um ihr Glück betrogen.
    Seither hatte Nat bei General Textiles einen kometenhaften Aufstieg erlebt und war jetzt der Präsident der Gesellschaft. Er hatte auch geheiratet, eine hübsche Blondine, die zehn Jahre jünger war als Nancy.
    Im Gegensatz zu ihm hatte Peter wenig Erfolg zu verzeichnen. Ihm fehlten einfach die Voraussetzungen für den Posten eines Vorsitzenden. In den fünf Jahren, während er die Firma geleitet hatte, war es steil bergab gegangen. Die Läden machten keinen Gewinn mehr, sie hielten sich nur knapp über der Verlustgrenze. Peter hatte einen eleganten Laden mit teuren, modischen Damenschuhen in der Fifth Avenue in New York eröffnet, der seine ganze Zeit in Anspruch nahm, aber ein Verlustgeschäft war.
    Nur die Fabrik, die Nancy leitete, brachte Gewinn. Mitte der dreißiger Jahre, als Amerika sich allmählich von der Weltwirtschaftskrise erholte, hatte sie angefangen, sehr billige Damensandalen herzustellen, die bald außerordentlich gefragt waren. Sie war überzeugt, daß bei Damenschuhen die Zukunft bei leichten, farbenfrohen Erzeugnissen lag, die spottbillig waren.
    Sie hätte die doppelte Menge der von ihr hergestellten Schuhe verkaufen können, wenn sie die Produktionskapazität gehabt hätte. Aber ihr Gewinn wurde von Peters Verlusten verschlungen, und es blieb nichts für eine Expansion übrig.
    Nancy wußte, was getan werden mußte, um die Firma zu retten.
    Die Ladenkette würde verkauft werden müssen, vielleicht an ihre Geschäftsführer, um Kapital flüssig zu machen. Das Geld aus dem Verkauf sollte zur Modernisierung der Fabrik benutzt werden, um auf Fließbandproduktion umzustellen, die in allen fortschrittlicheren Schuhfabriken eingeführt wurde. Peter mußte die Leitung an sie abtreten und sich darauf beschränken, sein New Yorker Geschäft zu führen, und zwar innerhalb einer strikten Kostenrechnung.
    Sie hatte nichts dagegen, daß er nominell der Vorsitzende blieb und das Prestige behielt, das dieser Posten mit sich brachte, und sie würde weiterhin sein Schuhgeschäft mit dem Gewinn der Fabrik unterstützen, in Grenzen natürlich. Aber seine bisherige Machtbefugnis würde er aufgeben müssen.
    Sie hatte diese Vorschläge in allen Punkten schriftlich dargelegt, sie waren nur für Peters Augen bestimmt. Und er hatte versprochen, sie sich durch den Kopf gehen zu lassen. Nancy hatte ihm so taktvoll wie nur möglich erklärt, daß es mit dem Niedergang der Firma auf keinen Fall so weitergehen dürfe und sie sich, falls er nicht auf ihre Pläne einging, über seinen Kopf hinweg an den Vorstand zu wenden beabsichtigte. Das bedeutete, daß er abgesetzt und sie Vorsitzende würde. Sie hoffte inbrünstig, daß er zur Vernunft kam. Wenn nicht, konnte es nicht anders als mit einer demütigenden Niederlage für ihn und einem Bruch der Familie enden.
    Er schien zumindest nicht beleidigt zu sein. Er wirkte ruhig und nachdenklich und blieb freundlich. Sie beschlossen, miteinander nach Paris zu reisen. Peter kaufte modische Schuhe für seinen Laden, und Nancy machte Einkäufe für sich persönlich bei den Haute Couturiers und achtete auf Peters Ausgaben. Nancy liebte Europa, Paris besonders, und hatte sich auf London gefreut, und dann war es zur Kriegserklärung gekommen.
    Sie hatten

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