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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Papier und einen Kugelschreiber für Mister King«, und als Joe dies erhalten hatte: »Bitte, schreiben Sie sechsmal hintereinander schnell Ihren Namen und das Wort ›Scheckenbronc‹.«
    Joe führte die Anweisung aus. Er atmete im stillen auf, weil es sich hier um Worte handelte, bei denen er keinen orthographischen Fehler machen würde.
    Der Mann in der Polizeiuniform betrachtete das Dokument und die Schriftproben des Linkshänders Joe King; der Unterschied zu den Schriftzügen des Verkaufsauftrages sprang in die Augen.
    »Es liegt Verdacht einer Fälschung vor. Ich beschlagnahme das Dokument vorläufig. Sie können morgen bei uns vorsprechen, Mister Krader. Sie haben in den New City News die Anzeige gelesen, daß der Hengst und die Stute gestohlen waren?«
    »Habe ich nicht.«
    »Konnte Ihnen aber zugemutet werden, davon Kenntnis zu nehmen.«
    »Ich vermute, daß diese Anzeige erschien, als ich die Pferde längst wieder verkauft hatte.«
    »Wohin?«
    »Nach Bismarck, an… Moment.« John Krader wühlte jetzt nervöser in seinen Geschäftsakten. »An Smith Brothers, 34. Street.«
    »Danke. Sie hatten beim Kauf nicht den Verdacht, daß es sich bei dem Auftrag um eine Fälschung handeln könne?«
    »Wie sollte ich? Harold Booth war mir als zuverlässig bekannt; außerdem hatte ich noch Eigentumsrechte an dem nicht voll abbezahlten Tier.«
    »Danke, genügt.«
    Der Polizeileutnant grüßte und verließ mit den beiden Indianern das Haus. Draußen vor der Haustür, noch im Vorgarten, hielt er den Schritt an und fragte: »King, Sie stehen unter Bewährung. Ist Ihnen nicht aufgegeben worden, sich auf der Reservation aufzuhalten? Wie kommen Sie schon wieder nach New City?«
    »Unter meiner Verantwortung«, erwiderte Frank Morning Star, »ich brauche Mister King, um diese Sache so schnell wie möglich aufzuklären. Wir besuchen jetzt noch seine Schwester, die erkrankt ist, und fahren in der Nacht zurück.«
    Der Polizeileutnant machte sich eine Notiz, dankte abermals und bestieg das Polizeifahrzeug.
    Frank und Joe lenkten zu den Slums und hielten mit ihren Wagen bei der Hütte, in der Joes Schwester wohnte. Das Geschick rechtfertigte ihre Lüge in einer Weise, an die sie nicht gedacht hatten. Die kinderreiche Mutter hatte einem weiteren kleinen Mädchen das Leben gegeben. Es war alles so schnell gegangen, daß sie das Hospital nicht mehr hatte aufsuchen können. Eine Nachbarin war eben bei ihr gewesen und verließ das Häuschen, als Joe und Frank eintraten.
    »Oh, ihr guten Geister!« rief die Mutter auf ihrem schmutzigen Lager den beiden entgegen. »Habt ihr ein wenig Zeit für mich? Dann fahrt sogleich Wasser holen, Wasser, Wasser!«
    Die beiden Männer griffen nach allen verfügbaren Gefäßen und machten kehrt, um den Wunsch zu erfüllen. Joe kannte den nächsten Brunnen bei der Stadt. Sie trafen dort die Angehörigen anderer Indianerfamilien aus der Vorortsiedlung, und Joe wurde von einem verhutzelten Indianer schüchtern angesprochen.
    »Ja?« Joe fragte mit Geduld und Achtung vor dem Alter.
    »Du hast den Sohn meiner Tochter gerettet, Joe King. Du hast ihn tapfer verteidigt. Er ist nicht bestraft worden, weißt du es? Er liegt im Hospital. Es geht ihm besser. Willst du ihn besuchen?«
    »Ich muß zurück auf die Reservation.«
    »Er fragt immer nach dir. Er möchte dich sprechen.«
    »Ein andermal vielleicht. Grüß ihn von mir.«
    »Das wird ihn freuen, ja. Er dachte, du wärst jetzt ein Krüppel.«
    »Noch nicht ganz, wie du siehst.«
    Frank und Joe brachten das Wasser in das Haus von Joes jüngster Nichte. Margret freute sich. Von den überstandenen Anstrengungen und Schmerzen war ihr nichts mehr anzusehen.
    »Sie wird verdienen, sobald sie ein paar Jahre alt ist.«
    Die Mutter lächelte verloren und koste das Neugeborene. »Fünfunddreißig Dollar Unterstützung im Monat! Das gibt sie uns dann für die Miete, und wir lassen sie von unserem Schwarzbrot mitessen. Ist sie nicht ein Glückskind für uns?«
    »Wie du das alles machst!« Joe war erschüttert. »Ich hatte dir überhaupt nichts angesehen – vor ein paar Wochen.«
    »Aber ich bin immer dick und froh!«
    »Mit wieviel Miete seid ihr im Rückstand?«
    »Drei Jahre, Joe. Vier Monate habe ich aber abbezahlt im Winter, als mein Mann und ich einmal am gleichen Platz Arbeit hatten.«
    »Da habt ihr euch getroffen!«
    »Ja, da sind wir glücklich gewesen – « Über Margrets Gesicht huschte ein Schatten. Sie verscheuchte ihn.
    »Sorge dafür, daß die Kinder

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