Nacht über der Prärie
trat vor. »Ich bin Mitglied des Stammesrates, Krause, und muß in meinem Stamm für Ordnung sorgen. Also kommt mit – wir machen es gleich; ich fahre Euch in meinem Wagen. Ihr müßt nun wissen, wen Ihr lieber zum Feind haben wollt, Harold Booth oder Joe King, und was Ihr mehr liebt, die Lüge oder die Wahrheit.«
»Ja – dann eben in Gottes und drei Teufels Namen: die Wahrheit und Joe King als Freund dazu, wenn es durchaus sein muß.«
So geschah es, daß William Krause, gebürtig in Germany, seit 1905 ansässig im großen Amerika, die Wahrheit über Harold Booth, den Scheckhengst und die Stute beim Sheriff zu Protokoll gab.
Es war hierzu bereits ein Vorgang in den Gerichtsakten vorhanden, der Umlauf der Anzeige gegen Unbekannt. Da in der Aussage des W. Krause der Name des Pferdehändlers Krader erwähnt war, erhielt ein Polizeileutnant den Auftrag, gleich zusammen mit Frank den Händler überraschend aufzusuchen.
Krader, Mitte Fünfzig, feist und wohlbestallt, saß in seinem Einfamilienhaus beim Dinner und ließ sich den Truthahn schmecken. Achtungsvoll und vergnügt säumten Großmutter, Großvater, Frau und vier Kinder den Tisch mit den leckeren Speisen. Es klingelte. Krader hatte eine Hausangestellte, eine Schwarze, seltener Vorzug in einem Lande, in dem wie in jedem anderen die Fabrikarbeit bevorzugt wurde. Betsy öffnete, erschrak vor der Polizei, ließ den uniformierten weißen und den nicht uniformierten braunen Herrn aber sofort in die Diele eintreten und stürzte mit weitgeöffneten Kulleraugen in das Eß- und Wohnzimmer. Die Art ihres Auftauchens und ihr Gesichtsausdruck allein genügten, um allen Familienmitgliedern den gesegneten Appetit vergehen zu lassen. Sie flüsterte Daddy Krader ein Wort ins Ohr, deutlich genug, so daß es auch für Mammy verständlich war. Das Wort ließ Krader sofort vom Stuhle hochgehen, als ob eine Spiralfeder in ihm frei gemacht worden sei. Er warf die Serviette etwas unwillig, aber doch beherrscht auf den Tisch und verließ mit Betsy zusammen das Zimmer. Die Familie blieb in unausgesprochenen Gebeten für das Wohl des Hausvaters zurück und aß auf Befehl der Mutter den Truthahn zu Ende.
Krader bat die beiden Herren, deren Kombination auch ihn wundernahm, in sein Bürozimmer.
»Nur eine kurze Störung«, sagte der Polizeileutnant. »Welche Unterlagen über Eigentum oder Auftrag hat Ihnen Harold Booth vorgelegt, als er Ihnen am 2. September in der Nacht einen Scheckenbronc und eine dunkelbraune Stute verkauft hat?«
»Moment – sogleich.« In seiner Viehhändlerseele nur bis zu jenem Grade beunruhigt, der einem leichten Wellengekräusel glich, öffnete John Krader den Schreibtisch, zog eines der Schiebfächer heraus, entnahm ihm eine Akte, blätterte rasch und hatte das Dokument auch schon gefunden. Er nahm es heraus und wies es vor. Zu lesen stand: ›Hiermit beauftrage ich als Eigentümer Mister Harold Booth, den Scheckenbronc, dreijährig, und die dunkelbraune Stute, vierjährig, aus meinem Besitz bestmöglich gegen Barzahlung zu verkaufen. – Joe King‹
Der Polizeileutnant zeigte das Blatt Frank Morning Star. »Hay«, rief dieser. »Das ist großartig. Noch einen Moment, Mister Krader.«
Frank lief hinaus zu dem Wagen, in dem Joe auf der anderen Straßenseite wartete. »Komm! Du wirst Augen machen. Deinen Namen kannst du hoffentlich schreiben.«
Joe stieg das Blut in Wangen und Schläfen, denn es reizte ihn über die Maßen, wenn von seiner ›unglaublich mangelhaften‹ Schulbildung die Rede war. Doch widersprach er nicht, sondern schloß seinen Wagen ab und ging mit Frank.
Im Bürozimmer saß John Krader noch mit der undurchdringlichen Miene des Geschäftsmannes an seinem geöffneten Schreibtisch, und der Polizeileutnant stand, das Dokument in der Hand, ihm gegenüber.
Frank und Joe traten ein. Frank stellte seinen jüngeren Begleiter vor. Krader zog die Augenbrauen hoch. »Ah, Mister King! Wie kamen Sie dazu, den nicht abbezahlten Schecken verkaufen zu wollen? Ich habe das Tier zurückgenommen!«
Der Polizeileutnant starrte Joe an; seine Gefühle glichen gemischtem Salat, mit scharfer Sauce angemacht.
»Mister King, erkennen Sie diesen Auftrag hier als von Ihnen selbst geschrieben an?«
Joe studierte das Dokument. Lesen konnte er ja nun doch.
»Diesen Auftrag habe ich nicht geschrieben, nicht schreiben lassen und auch nicht unterschrieben.«
John Krader zog die Nase etwas hoch.
»Mister Krader«, ordnete der Polizeileutnant an, »bitte ein Blatt
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