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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Es konnte zu einem Rekordbesuch kommen.
    Die Plätze bei den Restaurationsbuden begannen sich zu füllen. Wenige gingen zur Viehschau. Auf den großen Tribünen nahmen schon Gäste Platz.
    Joe hatte denjenigen Cowboy und Bronc-Reiter im Auge, der ihn zu der Gruppe herbeigerufen hatte. Stonehorn kannte diesen Mann nicht und wußte nicht, woher dieser ihn kennen könne. Er trieb sich so lange unauffällig in seiner Nähe umher, bis der andere einen guten Bekannten traf und mit diesem zusammen einen Orange-Juice aus der Fontäne trank. Joe näherte sich den beiden in Deckung. Das hatte er Jahre hindurch unter sehr kritischen Augen geübt. Als die Orange-Becher geleert waren, zogen sich die beiden Cowboys wenige Schritte von der Bude zurück, und der erste holte mit einem wichtigtuenden Blick seine Brieftasche und aus dieser zwei Zeitungsausschnitte heraus. Es fiel Joe nicht schwer, über die Schultern der beiden aus wenigen Metern Abstand zwischen den flutenden Besuchern das Bild auf einem Ausschnitt und die schreiende Überschrift auf dem zweiten zu erkennen. Da war er selbst auf seinem Schecken während des kühnen Sprungs auf dem Rodeo von New City, und da war die Schlagzeile: ›Joe King – sechzehn Schwerverletzte‹.
    Übertrieben, aber schwarz auf weiß in Fettdruck für gute Bürger glaubhaft. Joe fing noch ein paar Sätze des folgenden Gesprächs auf:
    »Wo hast du denn das her?«
    »Hat mir ein guter Freund geschickt, Black and White junior.«
    »Wenn sich die Indianer zwischen uns mischen wollen, mögen Sie uns nicht gleich ihre schwersten Jungen und ihre verrücktesten Broncs schicken!«
    »Weiß das Komitee, wer dieser Joe ist?«
    »Die kümmern sich um nichts, sonst stände er vielleicht gar nicht auf dem Programm und sein geschecktes Biest wäre auch nicht da.«
    Die beiden schickten sich an weiterzugehen. Joe konnte noch beobachten, daß sie die Richtung zu den Büros einschlugen. Aber dann wurde er von anderer Seite in Anspruch genommen, und zwar auf eine so laute Weise, daß auch die beiden kritisch gestimmten Cowboys sich umwandten.
    »Joe! Wahrhaftig! Da haben wir ihn!«
    Die blonde Caroline hängte sich ungefragt in Joes Arm ein, nur eben mit der Hand, aber doch unmißverständlich in der Absicht, ihn zunächst einmal für sich zu beschlagnahmen. Jerome, junger Hüne, Amateurfußballstürmer und künftiger Student, baute sich an Joes linker Seite an.
    »Haben Sie unsern Brief nicht erhalten?«
    »Doch.« Joe liebte es nicht, sich zu verbrüdern oder gönnerhaft behandelt zu werden, aber er fügte sich in die Situation.
    »Und nicht geantwortet! Na, wir haben Sie aber noch aufgespürt, wie Sie sehen! Diesmal ging es umgekehrt!«
    Die beiden kritisch gestimmten Cowboys schienen von Joes Bekanntschaften beeindruckt. Sie schauten sich verblüfft an, gingen dann aber in der gewählten Richtung weiter.
    »Einen Whisky auf das Wiedersehen?« schlug Jerome vor.
    »Ich trinke nicht.«
    »Vor dem Reiten. Aber nach der Schlußrunde heute entkommen Sie uns nicht mehr!«
    »Entschuldigen Sie mich, ich muß wieder einmal nach meinem Pferd sehen.«
    »Also bis nachher!«
    Etwas enttäuscht ließ Caroline los und ging mit ihrem Bruder weiter.
    Joe begab sich nicht in gerader Richtung zu den Stallungen, sondern suchte erst nach einem Punkt, von dem aus er die beiden Cowboys vielleicht noch einmal in den Gesichtskreis bekommen konnte. Es gelang ihm nicht, und so ging er zu seinem Pferd und wollte dort Okute ablösen. Okute hatte den Stall noch nicht verlassen, als sich ein Joe unbekannter Zivilist, ganz ohne Cowboymaskerade, einfand. Er zeigte Joe die Erkennungsmarke und bat ihn mitzukommen. Joe folgte zu den Büros, wo sein der Funktion nach bekannter, der Person nach unbekannter Begleiter ihn in ein kleines, aber zweckmäßig eingerichtetes Zimmer mit mehreren Telefonen leitete.
    »Joe King aus der Reservation?«
    »Ja.«
    »Ihre Papiere bitte.«
    Joe übergab dem anderen seinen Indianerpaß, mit dem er die Grenze zwischen den USA und Canada jederzeit zu überschreiten befugt war, die Einsatzbelege für das Rodeo und die Belege über die bereits bestandenen Vorrunden.
    »Aus einer Nummer der ›New City News‹ geht hervor, daß Sie ein Urteil in Sachen schwerer Körperverletzung erwarteten. Das Urteil ist erfolgt?«
    »Ja.«
    »Auf?«
    »Drei Monate, verkürzt auf drei Wochen Haft mit einem Jahr Bewährungsfrist. Das Urteil lautete auf Körperverletzung bei Hilfeleistung und Widerstand gegen die

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