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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Parkstrecke wie Queenie, um zwei Parkplätze entfernt. Am Steuer saß ein Fahrer von etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren mit völlig gleichgültigem Ausdruck. Im Fond hatte Queenie einen zweiten Zivilisten in grauem Anzug erkannt und neben ihm ihren Mann, Stonehorn. Er trug das weiße Hemd – tadellos sauber –, die schwarzen Jeans und den schwarzen Cowboyhut, die Kleidung, in der er vor Wochen mit dem Superintendent zusammen von seinem Hause weggefahren war. Der grau Gekleidete stieg aus, nach ihm Stonehorn, und Queenie fing den Blick auf, mit dem Stonehorn seine Frau im geschlossenen Cabriolet bemerkte. Bemerkte – nicht grüßte. Queenie schaute den beiden nach, wie sie zusammen in das Bürohaus des Superintendent gingen.
    Es war üblich, daß Indianerfrauen still und regungslos im Wagen warteten, wenn ihre Männer auf Amtsstellen zu tun hatten. Aber Queenie war nur in einigem eine Indianerfrau alten Stils, nicht mehr in allem. Sie war eine Tochter ihrer Väter in dem, was ihr selbst wertvoll blieb, aber nicht mehr in dem, womit sie sich hätte gefesselt fühlen müssen.
    Wer kann mich hindern, fragte sie sich, auch in dieses Haus zu gehen, in das mein Mann gegangen ist? Auch wenn sich die Falten des Tadels um Stonehorns Mundwinkel legen mögen, ich tue es.
    Sie stieg aus, steckte den Startschlüssel ein und begab sich in das Vorzimmer des Superintendent, diesen langgestreckten Raum, dessen rechte Hälfte für die Sekretariatsarbeiten reserviert war. Sie lief über den roten Läufer, während sie den grau Gekleideten und ihren Mann beobachtete, die durch die Polstertür beim Superintendent eintreten wollten. Stonehorn wandte sich nicht um, aber der andere, der hinter ihm ging, sah beim Schließen der Tür noch einmal zurück; er mochte Queenies Schritt gehört haben.
    Der Mann im grauen Anzug, vielleicht vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt, hatte einen Gesichtsausdruck, der durchschnittlich und unauffällig wirkte, aber Queenie spürte sofort eine Art von Berufserziehung darin. Sie betrachtete den Mann so aufmerksam, daß ihm das auffallen mußte, und da er sicher dafür talentiert, auch darin geschult war, rasch zu kombinieren, sagte er mit einem halben Lächeln, während er die Tür noch offenhielt: »Missis King?«
    Queenie drückte durch ihre Haltung ein Ja aus, ohne eigentlich eine Bewegung gemacht zu haben.
    Der grau Gekleidete zögerte den Bruchteil einer Sekunde.
    In dieser Spanne sah Queenie durch die halboffene Tür den Superintendent hinter dem Schreibtisch; sie konnte in das Gesicht der vollkommenen Amtsmiene blicken. Linker Hand stand Stonehorn, groß, schmalhüftig, in einer abwartenden scheinbar gleichgültigen Haltung.
    Der Mann im grauen Anzug hatte sich entschieden. »Missis King, bitte! Kommen Sie gleich mit herein.«
    Queenie folgte der Aufforderung und stellte sich rechter Hand auf, zwei Schritt hinter dem Fremden, der nun den Superintendent in einer Mischung von formlosem Benehmen und amtlicher Haltung begrüßte. »Haben Sie Zeit? Können wir uns einen Augenblick unterhalten?« Die Worte wurden von einem Rundblick über die Sitzgelegenheiten gegenüber dem Schreibtisch begleitet. Der Superintendent behielt seinen Platz und bat seine drei Besucher mit einer Handbewegung, sich auf den Sesseln niederzulassen, die weder so bequem waren, daß man um ihrer selbst willen darin sitzen bleiben mochte, noch so unbequem, daß sie ungastlich wirkten.
    Stonehorn setzte sich zuletzt. Er tat es in einer Weise, als ob er keinen übermäßigen Wert darauf lege.
    »Ja, Hawley«, begann der Graugekleidete unaufgefordert, »nun bringen wir Ihnen also den Zeugen Joe King zurück auf ihre Reservation. Er steht unter Ihrer Treuhänderschaft. Sie tragen die amtliche Verantwortung für ihn als Reservationsindianer. Ich berichte daher.«
    »Bitte.« Der Superintendent war vielleicht angetan von den korrekten Formulierungen, aber er blieb sehr reserviert.
    Der andere fuhr fort: »Ja, es wäre tatsächlich schwer zu behaupten, daß King uns irgend etwas genützt hätte, dagegen leicht zu demonstrieren, wie man Zeit, Kraft und Scharfsinn unnütz aufwenden kann.«
    Die Amtsmiene des Superintendent verdüsterte sich, er schaute auf die Schreibtischplatte.
    »King ist ohne Gewissen und ohne Nerven, also das, was uns in unserem Ressort bestens bekannt ist. Aber seine spezifisch indianische Abart des Zynismus und des Starrsinns hatten wir ohne Zweifel noch unterschätzt. Vielleicht haben wir den Grad, in dem er

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