Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
sich bis heute abend nicht meldet.«
    »Und wirst du es mir sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist?«
    »Ich werde es dir sagen. Ich verspreche es.«
    »Tony, ich möchte, daß ein Telefon hier herein gelegt wird.
    Ich halte diese Isolation nicht mehr aus. Bitte sag dem Arzt, daß er es erlauben soll.«
    Tony schien verletzt, weil ich das Wort »Isolation« benutzt hatte, aber ich konnte es nicht ändern. So fühlte ich mich eben.
    Er verzog das Gesicht.
    »Du tust so viel für mich, Tony. Und ich weiß das auch zu schätzen, wirklich, aber ich vermisse meine Freunde so sehr!
    Ich bin eine junge Frau, die gerade den aufregendsten Abschnitt ihres Lebens begonnen hat. Ich kann es nicht ändern, aber ich fühle mich einsam, obwohl ihr beide, du und Drake, mir so viel Aufmerksamkeit schenkt, wie es euch möglich ist.
    Bitte sprich mit dem Arzt«, bat ich.
    Seine Gesichtszüge wurden weicher. »Natürlich. Ich bin sicher, er wird zustimmen. Du bist auf dem Weg, wieder ganz gesund zu werden. Davon bin ich überzeugt. Male, iß richtig, ruhe dich ausreichend aus, und du wirst schneller wieder auf die Beine kommen, als du es dir vorstellen kannst.«
    »Komm sofort zu mir, wenn du Luke angerufen hast.« Er nickte und ging.
    Ich saß einen Moment lang still da und dachte über alles nach, was passiert war. Vielleicht hatte Tony recht… Ich sollte mich wirklich nicht so in meine Krankheit und in traurige Gedanken vergraben. Er hatte versprochen, mich unverzüglich von Mrs. Broadfield zu erlösen. Aber selbst mit einer einfühlsamen, mitfühlenden Krankenschwester würde ich mich eingesperrt fühlen!
    Tony konnte mich mit dem größten Luxus umgeben –
    Fernseher, Stereoanlage, was auch immer – aber ich würde trotzdem nicht zufrieden sein. Ich vermißte meine Kleider, mein Zimmer, den Geruch meiner Bettdecke und meines Kissens, meine weiche, mit Daunen gefüllte Tagesdecke.
    Ich vermißte es, kichernd mit Freundinnen zu telefonieren und allein oder gemeinsam mit Freunden in dem kleinen Lokal der Musik zu lauschen. Ich vermißte es, mit Menschen in meinem Alter Parties zu feiern und zu tanzen und zu lachen.
    Ich vermißte den Anblick der blühenden Blumen vor unserem Haus und ich vermißte Mammi, wie sie entspannt und ruhig im Wohnzimmer saß und ab und zu den Kopf nach mir wandte.
    Ich vermißte Daddy, wie er in seiner Zeitung las, nachdenklich die großen Seiten umblätterte und gelegentlich aufsah, um mir zuzuwinken.
    Und mehr als alles andere vermißte ich Luke. Ich vermißte es, ihn zu sehen, wie er die Straße herunterkam oder auf der Veranda auf mich wartete. Ich vermißte unsere nächtlichen Telefongespräche.
    Es hatte eine Zeit gegeben, in der kaum ein Tag verging, ohne daß wir uns sahen oder miteinander redeten, und nun schien er Tausende von Meilen entfernt, aus meinem Leben verschwunden… War es eine andere Frau, die ihn so in ihren Bann zog? Es brach mir fast das Herz, wenn ich nur daran dachte. Aber Tony hatte recht. Es war nicht richtig, daß ich mich so sehr in meinen Kummer und meine Ängste vergrub.
    Wenn ich Luke wiedersehen wollte, mußte ich mich zusammennehmen und rasch wieder gesund werden.
    Ich mußte, so weit das möglich war, zu meinem früheren Ich zurückfinden. Die Malerei konnte mir dabei helfen. Ich fuhr zu der Staffelei und packte die Dinge aus, die ich brauchen würde, um anzufangen.
    Aber was sollte ich malen, fragte ich mich. Wie ein Magnet zog mich das Fenster an, und ich blickte nach draußen zum Familienfriedhof der Tattertons. Ich griff nach dem Bleistift und begann zu skizzieren; ich arbeitete wie im Rausch, als würde einer von Rye Whiskeys Geistern meinen Arm lenken und meine Finger über die blanke, weiße Leinwand führen.
    Und während ich so zeichnete, begannen die Tränen zu fließen… Wie immer verlor ich mich in meiner Arbeit, sobald ich begonnen hatte zu malen. Es war fast so, als wäre ich zu einer winzigen Figur in der Skizze geschrumpft, die meinem größeren Ich zeigte, was es zeichnen sollte. Die Welt um mich herum verblaßte; ich verlor jegliches Gefühl dafür, wieviel Zeit verging und wo ich mich befand. Ich hörte nicht einmal, als Tony zurückkam, und als ich ihn endlich erblickte, hatte ich keine Ahnung, wie lange er bereits hinter mir gestanden und mir zugesehen hatte. Ich zuckte zusammen, als ich ihn bemerkte.
    »Entschuldige, wenn ich dich erschreckt habe, aber ich wollte dich nicht stören. Ich weiß, wie sehr ihr Künstler Eure Konzentration braucht.

Weitere Kostenlose Bücher