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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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fiel hin.
    Das verschaffte mir etwas Zeit, um mich zu erholen.
    Obwohl ich noch immer nicht richtig atmen konnte, war ich zumindest nicht mehr vor Schmerz gelähmt.
    Vornübergebeugt und mit zusammengebissenen Zähnen stapfte auch ich ans Ende des Pools.
    Steve hatte sich immer noch nicht aufgerappelt, und das Ende des Kabels, das an seinem linken Fuß hing, wie eine lange, dünne Schlange mit einem seltsam geformten Kopf, lag noch am Boden des Pools.
    Schnapp es dir!
    Ich beschleunigte meine Schritte, aber das Wasser bremste mich, als wollte es nicht, dass ich das Kabel erreichte.
    Steve drehte sich um und setzte sich auf. Er sah mich kommen.
    Als er begriff, was ich vorhatte, beugte er sich über seine ausgestreckten Beine nach vorn zu seinem linken Knöchel und zog das Kabel in seine Richtung. Ich sah, wie der Stecker sich unter Wasser von mir weg bewegte.
    Ich machte einen beherzten Sprung nach vorn, streckte meine Arme so weit aus wie nur möglich und …
    … erwischte das Ende des Kabels.
    Ich hatte den Stecker schon zwischen Daumen und Zeigefinger, als er mir mit einem Ruck wieder entrissen wurde. Meine Hände stießen gegen den Beckenrand. Ich streckte die Arme aus dem Wasser und tastete nach dem Kabel, erwischte es aber nicht.
    So rasch ich konnte, stand ich auf. Nachdem ich mir das Wasser aus den Augen geblinzelt hatte, sah ich, wie sich Steve rückwärts vom Pool entfernte. Er hatte das Ende des Kabels zwischen den Zähnen und zog sich mit beiden Händen die Hose hoch. Ich sah gerade noch, wie sein Penis hinter dem Bund verschwand.
    Mit dem Säbel in der Hand war es gar nicht so einfach, aus dem Pool zu klettern, aber loslassen wollte ich meine Waffe auf keinen Fall.
    Ich hätte natürlich auch zur Treppe hinüberwaten können, aber das hätte vermutlich noch länger gedauert als das unbeholfene Klettermanöver, das ich gerade am Beckenrand vollführte.
    Steve ließ mich keine Sekunde aus den Augen und stolperte weiter rückwärts über den Rasen. Er schien es nicht allzu eilig zu haben und nahm sich sogar Zeit, seinen Gürtel ein Loch enger zu schnallen.
    Als ich mich aus dem Pool gehievt hatte, nahm er das Kabel aus dem Mund, warf es sich über die Schulter und drehte sich um. Und dann fing er an zu rennen.
    »Bleib stehen!«, schrie ich.
    Natürlich blieb er nicht stehen. Warum auch?
    Ich rannte ihm hinterher über das warme, taufeuchte Gras. Steve war nur ein paar Schritte vor mir, und ich hob die Hand mit dem Säbel hoch in die Luft, um sofort zuschlagen zu können, wenn ich ihn eingeholt hatte.
    Aber ich holte ihn nicht ein.
    Reichlich Holz vor der Hütte zu haben ist auch so schon nicht immer leicht, aber wenn man jemandem hinterherrennt, ist es eine mittlere Katastrophe. Da wäre man lieber schlank, sehnig und flachbrüstig. Und leichtfüßig dazu.
    So aber war ich gegen Steve chancenlos, und die Entfernung zwischen uns wurde immer größer.
    Aber ich gab nicht auf. Ich rannte, so schnell ich konnte, säbelschwingend und mit wogenden Brüsten hinter ihm her, bis er im Wald verschwand.

    Verdrahtung
    Fluchend blieb ich stehen, schnappte nach Luft und ließ den Säbel sinken, bis seine Spitze den Boden berührte.
    Meine Lungen schmerzten.
    Meine Beine waren schwer wie Granitblöcke.
    Mein Herz raste.
    Ich war pitschnass, und meine Haut juckte von der Mischung aus Schweiß und Poolwasser, die mir über den ganzen Körper rann. Es tropfte von meiner Nase, meinem Kinn, meinen Brüsten. Ich fuhr mir mit dem Unterarm übers Gesicht, aber das half nicht viel.
    Ich war am Ende.
    Erschöpft und verwundbar.
    Mit oder ohne Säbel war ich jetzt leichte Beute für Steve, hier, so nahe am Waldrand, konnte er sich jederzeit aus der Dunkelheit auf mich stürzen.
    Als ich ein bisschen zu Atem gekommen war, ging ich langsam rückwärts. Ich war zu müde, um zu rennen, und es dauerte eine Weile, bis ich Serenas Garten erreicht hatte.
    Am liebsten hätte ich mich ins Gras gelegt.
    Aber das Gras würde meinen Juckreiz noch verstärken, und das konnte ich jetzt überhaupt nicht vertragen.
    Also ging weiter bis zum Pool und streckte mich der Länge nach auf dem Beton aus. Er war hart, aber warm, und ich mochte das trockene Gefühl am Rücken.
    Den Säbel hielt ich fest in der rechten Hand.
    Das ist ganz gut so, dachte ich. Hier gefällt’s mir.
    Aber was soll ich jetzt tun?
    Steve ist mir entwischt.
    Ich bin ihm entwischt.
    Steve und ich, wir sind einander entwischt.

    Ich bezweifelte, dass Steve zurückkommen würde.

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