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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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leiden, und diese grünen Flecken auf dem weißen T-Shirt standen ihr ausgesprochen gut. Selbst das weiße Stückchen Speck in ihren schwarzen Haaren passte hervorragend zu ihrer Frisur.
    Vielleicht, dachte Leon, sollte ich doch bleiben. Zumindest für eine Weile.
    Er schloss für einen Moment die Augen und sah wie einen Blitz Sandra Bauer im nachtblauen Himmelszelt versinken, tot wie seine Mutter.
    Er schrie laut: »Neein!«
    Alle stierten ihn an.

    Am Abend kam Johanna ihn besuchen. Neben dem Waschraum gab es ein umgebautes, fensterloses Kellerzimmer, das Sandra »Sozialraum« nannte. Der Name klang schrecklich.
    Es klebten Eierkartons an den Wänden, die den Lärm dämpfen sollten, damit es keinen Ärger mit den Nachbarn gab. An der Außenwand stand ein langes altes Sofa mit einem abgewetzten grünen Bezug. Die Mitte des Zimmers wurde von einer Tischtennisplatte dominiert. Das Netz war eingerissen und hing durch. Die Kanten der Platte waren abgeschabt, irgendjemand hatte mal auf ein Feld »Hass« und auf das gegenüberliegende »Love« gesprüht. Aber leider war »Love« zunächst falsch geschrieben worden, mit »f« statt mit »v«. Die Beläge der Tischtennisschläger waren offenbar von Mäusen angeknabbert worden. Aber die Musikanlage hatte einen netten Sound, und im riesigen Kühlschrank gab es kostenlose alkoholfreie Getränke.
    Johanna spielte erstaunlich gut Tischtennis. Conny hockte mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, nuckelte an einem Strohhalm und sah zu. Leon wusste nicht, ob sie nur neugierig war oder ihnen etwas sagen wollte und sich nicht traute. Er fühlte sich gestört durch sie, er wollte gerne mit Johanna allein sein, aber er konnte das dicke Mädchen schlecht wegschicken. Immerhin war dies ein Sozialraum, was vermutlich bedeutete, dass sich jeder darin aufhalten durfte.
    Leon spielte nur mit Johanna, um überhaupt irgendetwas zu tun. Aber sie nahm das Match sehr ernst. Sie schlug ihn 11:7 und 11:5. Sie brauchte dazu nicht einen einzigen Schmetterball.
    Jetzt, als er den letzten Ball ins Netz gehauen hatte, federte Conny hoch und schnappte sich einen Schläger.
    »Ich spiel gegen den Gewinner«, stellte sie fest, als sei das vorher so ausgemacht worden.
    Johanna zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen.« Dabei lächelte sie ein wenig mitleidig. Leon konnte es ihr ansehen, sie glaubte nicht daran, dass Conny auch nur die geringste Chance gegen sie hätte.
    Leon setzte sich in die Sofaecke, in der Conny vorhin am Strohhalm gekaut hatte. Das Polster war noch ganz warm von ihr.
    Dann sah Leon einen verbissenen Tischtenniszweikampf, der ihm klarmachte, dass er bisher keine Ahnung von dem gehabt hatte, was Tischtennis überhaupt war. Die Bälle wurden angeschnitten, dass sie unberechenbar nach rechts und links sprangen. Schmetterbälle kamen mit einer Wucht, dass man sich um die Bälle sorgen musste.
    Dann stand es 10:10, und sie wechselten die Seiten. Die beiden machten Leon zum Schiedsrichter und verlangten laute Ansagen von ihm. Bildeten die beiden sich ein, um ihn zu kämpfen? Was immer die da ausfochten, es war nicht sein Krieg. Aber es ging um mehr als um ein paar Punkte beim Ping-Pong.
    Er hätte Conny nie so flinke Ballwechsel oder so hohe Sprünge zugetraut. Sie bewegte sich mit dem blauen Schläger in der Hand plötzlich anders. Manchmal schien sie über dem Boden zu schweben oder wie schwerelos in der Luft zu schwimmen.
    Johanna hatte Schweiß auf der Stirn und zog die Lippen nach innen. So sah sie also aus, wenn sie voll konzentriert war. Bei den Mathestunden hatte er sie nie so gesehen.
    Der neue Ball wechselte zum vierzehnten Mal von einem Spielfeld ins andere. Die jungen Frauen schenkten sich nichts.
    Sie waren gleich stark.
    Ein Zufall entschied. Johanna lag mit einem Punkt hinten, als der frisch geduschte Paul Neumann die knarzende Tür hinter ihr öffnete. Sie wurde für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt und der Ball tippte zweimal auf ihrer Seite auf.
    Um ein Haar hätte Johanna den Schläger gegen die Wand gepfeffert, aber stattdessen drückte sie ihn Paul Neumann in die Hand. »Jetzt du. Gegen die Gewinnerin.«
    Johanna zwinkerte Leon zu, als hätte sie endlich einen Dreh gefunden, Conny loszuwerden, aber Paul warf den Schläger achtlos auf die Tischtennisplatte. »Kein Bock. Die putzt doch jeden.«
    Leon war unsicher, ob er Johanna einfach mit auf sein Zimmer nehmen durfte oder ob das Ärger geben würde. Es gab viele Regeln, er kannte noch nicht alle, daher hatte er das

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