Nachtbrenner
Tages, sozusagen. Dabei wollte ihm ums Verrecken nicht einfallen, was es denn eigentlich zu feiern gab.
»Was grinst du so blöd, du Flachwichser?« Der Typ schwang den Oberkörper in seine Richtung. Er sah aus wie eine besoffene Gliederpuppe.
Kevin hob beschwichtigend die Hände. »He, Mann. Schon gut, Mann.« Mit diesen Junkies konnte man nur in Halbsätzen reden. »Alles cool, ey?«
Er konnte sehen, wie sich langsames Begreifen auf dem Arschgesicht abzeichnete. Oh, Mann, dieser blöde Junkie war so auf Entzug, dass er einen BP-Shop ausrauben wollte. Wahrscheinlich hatte es sich in seinem versifften Crack-Universum noch nicht rumgesprochen, dass in diesen Läden schon seit Jahren kein Bargeld mehr zu holen war.
»Los, gib mir deine Brieftasche!«
Kevin wich seinem fordernden Blick aus. Er wünschte sich sehnlichst, dass der Typ die dumme Itacker-Braut in Stücke schneiden würde. Hätte sie den verdammten Saft gehabt, wär er schon längst wieder aus dem Scheiß-Laden raus. Kapierte hier denn niemand, dass er das Zeug brauchte, wenn er runter kam?
Plötzlich riss der Typ das Buschmesser aus der Theke. Mit einer fließenden Bewegung zog er die Schneide über die Kehle der Kassiererin, die in einem pulsierenden Blutregen zu Boden ging, tänzelte auf Kevin zu und schnitt mit der nassen Klinge die Luft in Scheiben. Mann, das war schon gespenstisch, wie der seine Gedanken lesen konnte.
»Los, gib mir deine Brieftasche!« Wiederholte der Typ stur und drückte er sein Messer gegen die Ausbuchtung in Kevins Schritt. Kevin quiekte.
»Wenn du Eier hättest würde ich sie die jetzt abschneiden.« Er kicherte albern, und Kevin sah, dass er einen Steifen hatte. »Aber du hast ja keine Eier, deshalb will ich heute nur dein Geld.«
»Ich wollt’ doch nur ’ne Büchse O-Saft kaufen, Mann«, stotterte Kevin blöde.
»Ich wollt’ doch nur ’ne Büchse O-Saft kaufen, Mann«, äffte ihn der Typ hämisch nach.
Kevin sah nicht mal, dass er sich bewegte, er hörte nur Stoff reißen, als der Junkie seiner Forderung etwas Nachdruck verlieh. Dann fühlte er, wie etwas warm an der Innenseite seines linken Oberschenkels runter lief. Er starrte beschämt zur Seite und sah, wie das Blut der Itaker-Tussi langsam unter dem Tresen auslief und sich in den Ritzen der kaputten Bodenfliesen verteilte. Dann mischte sich das Blut mit seiner gelben Pisse, die gar nicht aufhörte aus ihm rauszulaufen.
»Mann, ist das widerlich.«
Der Typ sprang zurück, holte mit seinem Biker-Stiefel aus und trat ihm zwischen die Beine. Kevin fiel nach vorne, Gesicht und Oberkörper in die Brühe aus Blut und Urin. Dass der Typ ihm die Brieftasche aus der Gesäßtasche nahm, bekam er nicht mehr mit, auch nicht, wie der Junkie nach draußen rannte, als in der Ferne Sirenen laut wurden.
Die Sirenen waren das Erste, was Kevin wahrnahm, als er wieder zu sich kam. In seinen Eiern tobte ein unbeschreiblicher Schmerz. Dafür würde irgendjemand büßen. Dieser abgefuckte Junkie hatte nicht nur sein Plastik, sondern auch sein letztes Briefchen abgegriffen. Wie, zur Hölle, sollte er das den Bullen erklären?
Er taumelte durch die Tür, Tränen der Wut und der Demütigung trübten seinen Blick. Er rannte direkt in den fetten Bullen, der sich gerade aus dem Einsatzwagen zwängte. Der Fette holte kurz aus und rammte Kevin seine Faust in die Magengrube. Keuchend ging er in die Knie und würgte dem Bullen billiges Bier auf die Stiefel.
»Was für eine verdammte Sauerei!« Der fette Bulle sprang fluchend zurück.
»He, Bert, hier drinnen sieht’s noch schlimmer aus«, rief eine Stimme aus dem BP-Shop.
»Komm gleich, muss nur noch ’n bisschen Dreck hier draußen wegräumen.« Er stupste Kevin fast freundschaftlich mit dem Stiefel an. »Auf die Füße, Arschloch.«
»Aber, ich war’s doch gar nicht.«
»Wissen wir doch, Arschloch.« Das klang schon wieder fast freundschaftlich.
»Das ist schon das zweite Mal in diesem Monat, dass mich irgend so ein verfickter Junkie ausnimmt.« Kevin trat von einem Bein auf das andere. Seine Stimme klang so weinerlich wie die Stimme des Penners, dem er vor ein paar Wochen die Faust in sein zahnloses Maul gerammt hatte, weil er nicht aufhören wollte, ihn um ein paar Mark anzugehen. Wie er diese Typen hasste.
»Tja, sind harte Zeiten.« Der zweite Bulle kam aus dem BP-Shop und grinste hämisch. »Wollen Sie mit aufs Revier kommen und eine Anzeige machen?«
Kevin schüttelte den Kopf, er konnte dem Bullen ins Hirn gucken, als
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