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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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anzog.
    Was danach passierte, hatte die Erlebnisqualität einer billigen VR: billiges Bier und ein billiger Fick mit einer Barschlampe. Er hatte nicht mal mehr Stoff gehabt, um sich vorher anzutörnen. Und sie maulte, weil er nichts dabei hatte. Aber er war das Beste, was sie in dieser Nacht kriegen konnte. Und dann hatte er einfach zugeschlagen. Er wusste nicht mal mehr, weshalb, aber es hatte richtig gut getan, sie schreien zu hören.

    Ohne dass er es merkte, war er immer weiter in die Nacht gelaufen, vorbei an dem BP-Shop, wo ihm dieser schwule Sado-Junkie aufgelauert hatte. Irgendwie passte das alles ins Bild, der Überfall, die blonde Tussi, sein arschgesichtiger Nachbar, die Bullen. Etwas passierte mit der Stadt, mit ihm. Vielleicht wurde es Zeit, sich nach einer Waffe umzusehen. Eine Halbautomatische wäre schön. Kevin lächelte. Mickey hatte auch so geiles Teil, und war er nicht wie Mickey? Vor ihm tauchte ein neonblaues Schild auf. Es flackerte wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit. »Folxs Trenke«.
    Er zögerte, das hier war definitiv nicht sein Revier. Doch würde Mickey etwa zögern, oder Harry Callahan, oder der Terminator? Wenn ein Mann ein Bier braucht, braucht ein Mann ein Bier. Kevin stieß die Tür zur »Folxs Trenke« auf. Dröhnender Neo-Punk und süße Hasch-Schwaden umarmten ihn und zogen ihn sacht über die Schwelle.
    Drinnen war es noch dunkler, falls das überhaupt möglich war. Erst als seine Augen sich angepasst hatten, sah er die grünleuchtenden Monitore, die überall rumstanden. Der Laden war ein Cyberpunk-Treff. Echt abgefahren. Er dachte immer, die würden nur im Netz rumhängen. Und jetzt hockten sie da, in diesem leichenhaften Licht, verdrahtet wie die Flatliners einer Dritte-Welt-Organbank, holten sich ihren digitalen Cyber-Schuss.
    »Gib mir ’n Bier.«
    »Kenn ich dich etwa?« Der Punk hinter der Bar grinste verächtlich.
    »Ich bin ein Freund von Smart-Card.«
    »Smart-Card hat keine Freunde, die so aussehen wie du, Arschloch.«
    Er hob den Kopf und sah einen Schatten an der Wand, seinen Schatten. Und er sah überhaupt nicht –
    Plötzlich hatte er einen Flashback. Er war von ekelhafter Deutlichkeit und hatte die Erlebnisqualität einer asiatischen Porno-VR.
    »Mickey, oh, bist du gut«, hatte sie die ganze Zeit gestöhnt, und er hatte die Augen zugemacht. Doch sie hatte sich überhaupt nicht wie Mallory angefühlt, und er wollte sie ansehen, um sicher zu sein. Und dann sah er sein verzerrtes Spiegelbild in dem Spiegel über dem Bett, sah sein weißes Fleisch. Das war die Wirklichkeit, und er war nicht Mickey. Und plötzlich war er ganz schlaff geworden. Da hatte er zugeschlagen. Einfach so. Und gleich hatte er sich besser gefühlt.
    – aus wie Mickey. Und dann stand er plötzlich wieder draußen, auf der Straße. Über seinem Kopf flackerte immer noch das blaue Neonschild – »Folxs Trenke«. Und er könnte nicht einmal beschwören, ob er wirklich in den Laden reingegangen war. An diesem Wochenende passierten wirklich die abgefahrensten Dinge. Richtig psychedelisch war das.

    Montagmorgen – oder so etwas ähnliches. Die Sonne war gerade dabei, sich durch den gelben Smog zu fressen, doch zu mehr als einem diffusen Licht reichte es nicht. Wirklich freundlich von der blöden Sonne, dachte Kevin, als er blinzelnd nach draußen sah, noch etwas mehr, und seine Augen würden wehtun. Sachte blies er über seinen Aldi-Instant und rührte gefühlvoll eine Handvoll Süßstoff drunter. Ein Mann brauchte morgens –
    »Waterloo, Waterloo, couldn’t escape ...«
    – in Ruhe eine gute Tasse Kaffee.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Für einen Augenblick wusste er nicht, was seinen Schädel zum Dröhnen brachte, sein Gebrüll oder sein Nachbar mit seiner beschissenen Siebziger-Musik. Dann bemerkte er, dass er die Fragmente eines Stuhl umklammerte und wieder und wieder gegen die Wand knallte. Plötzlich wurden seine Schläge von Getrommel an seiner Wohnungstür synkopiert. Kevin grinste, hatte er die Ratte endlich aus ihrem Bau gelockt. Irgendwann kam für jeden dieser miesen Dealer die Stunde der Abrechnung. Draußen, auf der Feuerleiter gab ihm sein Partner Rückendeckung. Kevin zählte die Sekunden mit seiner linken Faust ab. Das Getrommel an der Tür hielt immer noch an. Und als er sich leicht vorbeugte, konnte er eine Stimme hören, die die Worte – »dir haben sie wohl ins Hirn geschissen«, schrie.
    »Ach, leck mich«, brüllte Kevin zurück und goss den restlichen Kaffee aus

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