Nachtbrenner
er fühlte sich so gut, wie schon lange nicht mehr, und dabei war er erst auf der zweiten Spielebene angekommen.
Zitternd schaltete er die Schwarzmarkt-VR ab. Es war so verdammt echt gewesen, und es war seine neue Droge. Er spürte jetzt schon den Entzug. Er überlegte, ob er kurz ein paar Runden »Beverly-Hills 90210« spielen sollte und lud das Programm. Doch als er die Sensor-Kontakte aktivierte und zu dem durchgeknallten Sniper auf dem Dach der High-School wurde, hatte er plötzlich keine Lust mehr, Teenager in engen Miniröcken abzuschießen und den Schulhof in ein Blutbad zu verwandeln. Nach »Mickey & Mallory« kam ihm jedes andere Spiel irgendwie spannungslos vor.
Er beschloss, den Freitagabend wie jeden Freitagabend ausklingen zu lassen – ein Besuch in seiner Stammkneipe, ein paar lauwarme Biere und später, auf dem Scheißhaus, ein warmer Händedruck mit seinem Dealer. Und wenn er ganz gut drauf war, würde er sich von der nachgemachten Blondine, die immer an der Bar rumhing und ihn ständig anmachte, einen blasen lassen. Und vielleicht, ganz vielleicht, würde er ihr zur Belohnung eine Nase voll abgeben. Während er seine Jeans hochzog, warf er seinem Spiegelbild, das von der Dunkelheit hinter dem Fenster reflektiert wurde, einen Blick zu. Ja, das Leben meinte es gut mit ihm.
Als er morgens um vier die Treppe zu seiner Wohnung hochtappte, meinte es das Leben immer noch ziemlich gut. Nach der Nummer mit der Blonden hatte er noch eine Straße nachgelegt. Der Koks machte ihn so geil, dass er unwillkürlich aufstöhnte. Ohne das Licht anzuschalten startete er die VR – sprang rein in die knallbunte, geile Action: Er spürte die Müdigkeit hinter den Augen, doch langsam putschte der Adrenalinstoß ihn hoch. Breitbeinig stand er im Schalterraum der Filiale der California Savings & Loan in Redwood City. Sie waren die ganze Nacht durchgefahren, rauf von Bakersfield, Mallory und er. Und jetzt war Zahltag.
Verdammt, er hatte eins der Crime Action-Menüs runter geladen. Hektisch versuchte er, die VR zu rebooten, doch die instabile Schwarzmarktware stürzte ab. Er heulte vor Wut und schlug mit der flachen Hand gegen die Wand, wieder und wieder, während er merkte wie seine Erektion nachließ.
»He, gib Ruhe, du blödes Arschloch!«
Die Bullen – hatte die Stimme »die Bullen kommen« gerufen? Kevin drehte sich orientierungslos um die eigene Achse, stolperte und fiel mit dem Gesicht auf die Matratze. Übergangslos fing er an zu schnarchen.
Zwei Stunden später wachte er bereits wieder auf. Er lief immer noch auf High-Speed. Die billige HiFi-Anlage seines Nachbarn dröhnte durch seine Schädeldecke und brachte sein Gehirn zum Vibrieren. Seine Zunge war an seinem Gaumen festgeklebt, und er hatte einen tierischen Durst. Er brauchte unbedingt ein paar Büchsen Orangensaft.
Er war der einzige Kunde in dem BP-Shop. Hinter der Kasse hockte eine verblödet aussehende Itacker-Braut und blätterte in einem Hochglanz-»Ladies-Manga«.
Er stand vor dem Kühlregal und merkte wie sich kalte Verzweiflung durch seine Eingeweide fraß. Sie hatten keinen Saft, nur dieses scheiß-gefrorene Konzentrat. Er trat gegen ein Regal mit abgepackten Pizzaböden. Die Stapel kamen ins Rutschen und fielen zu Boden. Er kickte die Päckchen weg. Die Itaker-Braut sah nicht mal von ihrem Magazin hoch.
»He, hast du keinen O-Saft?«
Sie ignorierte ihn immer noch. Verdammte Spaghettifresser. Kommen in unser Land und nehmen uns die Jobs weg und dann tun sie nichts weiter, als auf ihren fetten Hintern zu sitzen. Warum ging er nicht einfach hin und stopfte sie mit ihrem Sex-Comic?
Die Tür flog auf. Ein dürrer Typ mit Biker-Boots und einer Lederweste mit »Hells Angels«-Logo kam rein – dazwischen hatte er nicht viel an, nur grauweiße Boxershorts mit Schleifspuren. Vermutlich war das in dieser Gegend die übliche Sonntagmorgenkundschaft, denn die Itacker-Braut rührte sich erst, als der Typ eine Machete unter seiner Weste vorzog, in den Tresen rammte und »ich schneid dir deine geile Pussi ab, du dumme Fotze«, brüllte.
Kevin grinste beifällig. Er kannte den Spruch aus der »Beverly-Hills 90210«-VR, und die Show, die der Typ abzog schlug die VR um Klassen. Komisch – eigentlich müsste er doch Schiss haben. Stattdessen fühlte er sich richtig gut drauf, musste wohl an dem Stoff liegen. Er überlegte, ob er gleich noch mal auf ein gewisses Klo gehen und seinem Lieblingsdealer ein paar Extragramm abkaufen sollte – zur Feier des
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