Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
als dass ich dazu fähig sein sollte.
Das Mädchen verließ den Raum und ich kehrte zurück in den Körper, den ich als den meinen erkannte, welcher mich aber mehr abschreckte denn je. Immer noch brannte und tobte etwas in mir und immer noch konnte ich mich nicht bewegen. Meine Kehle war rau und ich hatte das Gefühl, als hätten sich mehr unartikulierte Laute daraus entrungen als ich es je für möglich gehalten hatte. Jason drehte sich zu mir um. Ich verfolgte jeden seiner Schritte und etwas in mir machte sich darauf gefasst ... etwas ... zu tun. Er sah die beiden anderen an und auf deren Zustimmung hin nahm er eine Art Kelch aus einer versteckten Nische und näherte sich mir langsam. Er ließ mich jeden Schritt, den er tat, jede Regung seines Körpers frühzeitig erkennen und was auch immer in mir tobte, es arrangierte sich mit diesen Handlungen.
In genügendem Abstand blieb er stehen und hielt mir den Kelch hin. Dem Geruch nach enthielt er Blut , welches verführerisch roch und mich das Mädchen fast vergessen ließ, welches eben den Raum verlassen hatte. Ein Wort erklang und die Lähmung, welche meinen Körper gefangen gehalten hatte, löste sich auf. Mich auf den Kelch stürzend schien die Wut mit jedem Schluck abzunehmen. Schneller als es mir lieb war, war er geleert, und doch hatte sich etwas verändert. Ich ließ den Kelch fallen und spürte wie sich das Toben legte, wie sich der Körper wieder beruhigte. Gleichzeitig wurde mir bewusst, was ich fast getan hätte, wie ich mich gegenüber Jason verhalten hatte.
Ich schämte mich in Grund und Boden. Für mich gab es kein Wort der Entschuldigung, das ich hätte sagen, nichts, was mich in meinen Augen von diesem Verhalten reinwaschen konnte. Ich schwieg und wartete. Ich traute mich nicht ihn anzusehen, auch wenn er nun auf mich zukam. Mein Hals war nach wie vor rau und mit der Zungenspitze spürte ich, wie sich meine Eckzähne ausprägten, als ich dagegenstieß. Er führte mich zurück zu meinem Sitzplatz und zwang mich ihn anzusehen. Was ich in seinen Augen las, ließ mich hoffen. Keine Wut, keine Enttäuschung, keine Verdammung lag darin, nur ein trauriges Verstehen. Stumm und verängstigt wartete ich auf das, was in dieser Nacht noch geschehen sollte.
Ich schüttele die Erinnerung ab. So etwas hinterlässt immer einen Schandfleck auf einer weißen Weste, wenn auch einen kleinen. Dennoch – man kann diese Dinge einfach verhindern, indem man sich an die Spielregeln hält, und ich gedenke dies zu tun.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich mich auf den Weg ins Spa machen sollte. Auch habe ich eine Nachricht von Cindy bekommen, in der sie mich um einen Gesprächstermin zwecks eines passenden Motivs bittet. Dieser Punkt kommt ebenfalls auf meine Liste. Mit dem grünen Kleid im Gepäck ziehe ich los und finde mich alsbald in tiefer Entspannung mit einer Gesichtsmaske im Whirlpool wieder. Meine ruinierten Fingernägel sind auch kein Thema, wie man mir umgehend versichert, und so kann der Abend jetzt einfach kommen.
Heute habe ich das volle Programm gebucht: Whirlpool, Finnische Sauna, Massagen, Aromatherapie, Mani- und Pediküre und zu guter Letzt eine erneute Beautypackung nebst Abendkosmetik. Damit verbringe ich gut drei Stunden im Spa und verpasse dadurch bedauerlicherweise das Galadinner. Aber da es noch etwa vier Stunden bis Mitternacht sind, mache ich mir keine Sorgen. Zudem habe ich Alex eine Nachricht zukommen lassen, dass ich mich wohl verspäten werde und man bereits ohne mich beginnen solle.
Eigentlich wollte ich ihn mit schmoren lassen, aber zum Glück hat dann doch meine Erziehung gegen den kleinen Teufel namens „angeschlagenes Ego“ gewonnen.
Nun ist es 21 Uhr und ich stehe am Eingang zum Queens Room; dem Treffpunkt, den mir Cindy beim Verlassen des Spas mitgeteilt hat. Das Kleid steht mir ausgezeichnet, wie mir die Mitarbeiter des Spas immer wieder versichert haben, und tatsächlich erhalte ich jede Menge bewundernde Blicke von Passanten. Meine andere Garderobe hat ein Roomboy hinauf in meine Kabine gebracht. Diese habe ich ausnahmsweise auch sauber und ordentlich hinterlassen. Man muss die Fehler des alten Jahres nun mal nicht zwingend fortführen.
Ben und seine Freunde sind unschwer auszumachen, denn sie treten geschlossen auf. Die Herren in teuren schwarzen Anzüge, die Damen in bunten Cocktailkleidern. Einzig Ben trägt einen weißen Anzug und ist damit nicht nur farblich hervorragend von den anderen zu unterscheiden.
Fay
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