Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
einen eindeutig zweideutigen Augenaufschlag. „Schätzchen. Du siehst aber scharf aus. Habe ich dir das gekauft?“
Mein Lächeln wird etwas schmaler. „Nein, genau genommen hat es jemand anders ausgesucht.“ Um jeden Preis vermeide ich Alex’ Namen auszusprechen oder ihn in das Geschehen mit einzubeziehen. Unser Status ist einfach ungeklärt. Außerdem hat er ungefragt meine Papiere unterzeichnet und ich habe ihm auch noch nicht seinen letzten Ausrutscher verziehen. Manchmal bin ich einfach doch nur ein Mädchen.
„ Sie kennen sich alle?“, erkundigt sich Mr. Morgan und wir nicken. Jeder mit einem anderen Gesichtsausdruck. Loren herablassend, Ben interessiert, Desmond besorgt und Alex – nun ja, er bemüht sich, seinen glatten, makellosen Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten. Mir soll alles recht sein.
Morgan mustert uns alle erneut der Reihe nach und scheint sich der Erkenntnis, die ihn dabei überkommt, nicht ganz sicher zu sein. „Wie praktisch“, murmelt er nur leise und wendet sich, einen Schlüsselbund zückend, ab.
Er öffnet die verriegelte Tür und wir betreten beinahe im Gänsemarsch den dunklen Vorraum. Morgan verschwindet hinter dem mir noch gut vertrauten Pult und die Beleuchtung flammt augenblicklich auf, wenn auch nicht vollständig. Sie taucht den Ort erneut in verspielte Halbschatten und kleine Lichtreflexe werden von dem sich ständig bewegenden Wasser an die grün gekachelten Wände geworfen. Es könnte beinahe ein verwunschen schöner Ort für romantische Gefühle sein, wenn nicht dieser penetrante Geruch nach Chlor und Desinfektionsmitteln über allem läge.
Irgendjemand hat die Zeit des Tages genutzt und hier aufgeräumt. Ich muss ja sagen, dass das dem Ganzen ein wenig den Schrecken der vergangenen Nacht nimmt, aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Ich registriere beiläufig, dass Alex sich hinter mir bewegt, und sehe keinen Grund, ihm dies zu verbieten. Vielmehr bin ich mit den Reaktionen der anderen beschäftigt.
Habe ich erwartet, dass in Bens oder Lorens Gesicht ein schlechtes Gewissen erkennbar wird, oder zumindest so etwas wie Schamgefühl, dann habe ich mich geirrt. Ben begutachtet beinahe desinteressiert die Einrichtung, während Desmond buchstäblich immer grüner im Gesicht wird, je näher wir dem Pool und vor allem den Eingängen zu den Duschen kommen.
„ Ist es hier passiert?“ Desmonds Stimme hat fast keinen Ton mehr und Alex sieht einen Moment betreten beiseite.
Mr. Morgan räuspert sich, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„ Sie befinden sich hier am Pool, Ladies und Gentlemen. Hier hat sich in der vergangenen Nacht ein wahres Spektakel abgespielt, welches beinahe in ein tragisches Ende ausgeufert wäre.“ Desmond unterdrückt ein Stöhnen und beinahe tut er mir leid. „Wie man hört, geht es der jungen Dame aber wieder besser.“ Nun, das wusste ich ja bereits.
„ Schön, das zu hören“, erklärt Alex, der mich mit diesen Worten unmerklich passiert und sich in Richtung Desmond postiert.
„ Ich möchte noch einmal betonen, dass es nur dem engagierten Eingreifen gewisser Personen zu verdanken ist, dass die junge Dame überhaupt überlebt hat“, fährt Mr. Morgan unbeirrt fort. Desmond muss an sich halten, um nicht in Tränen auszubrechen. Die Arme fest um sich selbst geschlungen steht er in seinem zerknitterten Anzug da und scheint sich an sich selbst festhalten zu müssen. So kann man sich irren.
„ Ich verstehe nicht, was das alles mit uns zu tun haben soll“, erklärt Ben beiläufig und zieht Loren dicht an sich. Triumphierend glitzert es in ihren Augen, als sie mich mustert.
Ich sende ihr gedanklich ein „Glückwunsch, Schlampe. Du hast den Jackpot. Es wird nicht lange dauern und er wird deiner überdrüssig sein.“ Dazu bekommt sie ein freundliches Bild von dem Viererensemble aus ihm, ihr, Antonia und der Unbekannten. Sie fährt merklich zusammen. Ein böses Lächeln zuckt in meinen Mundwinkeln. Die arme Kleine. Während sich die Gruppe weiter auf den Pool zubewegt, halte ich mich im Hintergrund. Als eine Art stiller Beobachter beziehe ich meinen Posten und überlege, wer sich wie zuerst ins Fettnäpfchen setzen wird.
Mr. Morgan blickt Ben interessiert an. „Was das mit Ihnen zu tun haben soll, Sir?“
Dieser nickt und mustert den leeren Pool. „Hier könnte man …“
„ Ben.“ Alex, der ihn mit wenigen Schritten erreicht hat, greift nach ihm und schüttelt den Kopf.
„ Aber was ist denn, Alex? Hier könnte
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