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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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bisher!“
    Ihre Stimmung ist von einer Sekunde auf die nächste umgekippt. Wahrscheinlich war es ihre Nebenniere leid, ständig Adrenalin zu produzieren, das ungenutzt im Organismus verpufft. Wieder seufze ich, denn sie kommt mir nun mehr wie ein verstörtes kleines Kind vor, das plärrend im Sandkasten sitzt. „Der hat aber meine Schaufel geklaut …“
    „ Ach so, und du findest, Massenorgien voll Alkohol und Drogen sind eine saubere Sache?“, entgegne ich.
    „ Natürlich. Das haben wir schon immer so gemacht.“ Ähm … ja.
    „ Und ihr habt dabei auch schon immer kleine Mädchen abgefüllt, zum Sexobjekt für zugedröhnte Erwachsene gemacht, damit diese über sie herfallen können?“
    Sie ist unsicher geworden. „Aber das war doch nur Spaß.“
    Ich schnaube. „Nur Spaß? Das Mädchen hätte sterben können. Was hättest du dann gemacht? Ben im Knast besucht? Dann wäre er nämlich ein Mörder.“
    „ Nein!“, protestiert sie. „Ben ist kein Mörder. Er hätte sie aufgehalten.“
    „ Sag mal, bist du bescheuert oder was?“, fauche ich sie an und ein Teil meines Raubtierinstinktes bahnt sich seinen Weg in meine Züge. Sie schreckt zurück und sieht mich verängstigt an. Los, Nebennierenmark, jetzt wäre dein Job angebracht. „Hast du ihm nicht zugehört? Er hat eben zugegeben, dass er das Mädchen hätte vergewaltigen lassen – denn nichts anderes wäre es gewesen.“
    „ Das hätte er nicht. Er ist ein guter Mensch.“ Ihr Protest wird im gleichen Maße kleiner, in dem mein Zorn größer wird.
    „ Ein guter Mensch, ja? Soll ich dir mal was sagen?“
    Sie macht eine Geste, die halb ein Nicken, halb ein Kopfschütteln ist.
    „ Dein ‚guter Mensch’ ist ein Sadist. Er ist so richtig in Fahrt gekommen, nachdem er seine Schwester bis ins Mark gedemütigt hatte. Danach wollte er auch mit mir ins Bett.“ Ich komme näher „Und weißt du, was ihn da so richtig angemacht hätte?“ Eigentlich will sie es nicht wissen, aber sie traut sich nicht, sich mir zu widersetzen. „Er wollte der große Vergewaltiger sein, der ein gepeinigtes und vor Angst wimmerndes Opfer unter sich hat.“ Sie zuckt zusammen. „Nennst du das einen guten Menschen?“
    „ Das liegt an dir“, stammelt sie.
    „ Nein, Barbie.“ Bestimmt trete ich einen Schritt auf sie zu und sie weicht bis an die Wand des Treppenhauses zurück. „Das kam von ihm. Es steckt einfach ganz tief in ihm drin und du wirst es niemals ändern. Der Mann ist so.“
    Ich ziehe mich zurück, und sie schaut mich mit verschreckten Rehaugen an.
     
    „ Und was mache ich jetzt?“, flüstert sie.
    Ich drehe mich auf halber Treppe noch einmal um. „Akzeptiere es oder trenne dich, wenn ihr denn verlobt seid. Er wird seine Allmachtsfantasien nicht aufgeben, dafür hatte er viel zu viel Spaß daran.“
    Dieser Rat ist so simpel, dass selbst sie ihn begreifen müsste. Wie ein Häufchen Elend lehnt sie gegen die Wand und will es einfach nicht einsehen. „Aber warum gerade jetzt? Warum konnte das nicht in ihm schlummern bleiben? Was hast du mit ihm gemacht?“
    Letzteres hat wieder die Spur eines Vorwurfs, oder doch mehr etwas Verzweifeltes?
    „ Gar nichts. Ich habe ihn einfach nur so sein lassen, wie er ist.“
    Na gut, vielleicht habe ich tatsächlich etwas herausgekitzelt, was vorher nur angedeutet war. Dennoch denke ich, dass ein Mann diesen Teil seiner wahren Natur nicht lange unterdrücken kann. Vielleicht habe ich auch einfach nur diese Wirkung auf meine „Partner“.
    Als ich den Fuß der Treppe und damit Deck 11 erreiche, muss ich kurz innehalten, denn ihre leise Stimme bringt eine dringliche Frage hervor: „Kannst du mir das beibringen?“
    „ Was?“
    „ So zu sein wie du.“
    Da gibt es eigentlich nur eine Antwort. Langsam drehe ich mich um und lächele sie an. Hoffnungsvoll kommt sie wie ein Schoßhund ein paar Stufen hinunter.
    „ Nein.“
    Abrupt bleibt sie wie vom Schlag getroffen stehen. „Warum nicht?“, mault sie beleidigt.
    „ Du bist nicht stark genug.“
    „ Ich bin für alles stark genug.“
    War das ein Angebot? Da sind sie wieder: das Teufelchen und das Cheerleadergnom-Ding. Beinahe im Chor sprechen wir die nächsten Worte: „Bist du sicher?“
    Sie nickt bekräftigend und der kleine Pudel ist wieder da. „Streichele mich, dann mache ich auch Männchen …“
    Wenn man sich mir so anbietet, dann kann ich einfach nicht nein sagen. Ich bin ja nicht so.
    Nachdenklich nicke ich und mustere sie, als hätte ich es mir anders

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