Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
„ich kann doch nichts dafür, dass du Hecht essen möchtest.“
Um die Diskussion zu beenden, reicht Heinrich seiner Frau den Arm. „Komm, Berta. Wir wärmen uns drinnen auf.“
Sie hakt sich kopfschüttelnd ein.
„ Kommen Sie doch mit uns, Miss Ashton“, lädt er mich ein und ich folge ihnen mit Abstand, aber amüsiert. Einen Moment lang bleibe ich stehen und mustere die beiden alten Leutchen. Irre ich mich, oder sind sie nur dann schwerhörig, wenn sie es gerade brauchen?
„ Ähm, Christopher? Ich darf doch Christopher sagen?“, halte ich den jungen Mann, der mir auf einmal merkwürdig bekannt vorkommt, zurück. Er sieht mich freundlich an. „Darf ich Sie einmal kurz etwas fragen?“
„ Sicher dürfen Sie das.“
„ Sie dürfen mir dies aber nicht übel nehmen.“
Er lächelt. „Schießen Sie los.“
Ich werfe einen Blick in Richtung der Fröhlichs und beginne. „Ich mag mich irren, aber mir schien es, als wären beide gestern etwas … sagen wir gehandicapt gewesen.“
Er lacht herzlich und ich bin froh über diese Reaktion.
„ Da könnten Sie recht haben“, gibt er zurück. „Die Großeltern meiner Frau sind beide schwerhörig, und gestern hatten sie vor lauter Aufregung ihre Hörgeräte nicht angeschaltet. Es ist nämlich ihre erste Kreuzfahrt.“ Er wirft einen Blick auf Berta. „Wahrscheinlich sind es einfach zu viele Geräusche hier, während der Abfahrt …“
Beide lachen wir kurz und einvernehmlich.
„ Das kann ich verstehen. Es ist auch meine erste Kreuzfahrt.“
Er lächelt mir noch einmal zu und schließt dann zu der kleinen Gruppe auf. Ich wende mich währenddessen noch einmal kurz um.
Ein Blick zurück zeigt mir, dass sich das Schiff tatsächlich in Bewegung gesetzt hat und langsam den Hafen von New York entlang auf die offene See zusteuert. Allerdings wird es noch von kleinen Beibooten begleitet und die Brücke, die da vor uns aufragt, sieht wenig vertrauenerweckend aus. Das wäre ja was, wenn der Kreuzfahrer da nicht drunter durchpasst. Ich grinse kurz und werde sofort wieder ernst bei dem Thema.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Ich könnte natürlich, den Witterungsverhältnissen zum Trotz, über Bord springen und zurückschwimmen, aber das erscheint mir nun wirklich absurd. Von dem Aufsehen, das dies erregen würde, einmal ganz abgesehen. Wir überqueren das Deck zurück in Richtung Britannia Restaurant. Die vielen runden Tische sind bereits eingedeckt. Auf gestärkten Tischtüchern, denen man die Bügelfalte noch ansieht, sind formschönes, aber schlichtes Porzellan und poliertes Besteck arrangiert. Ein dezentes Blumenarrangement rundet den Eindruck von schlichter Eleganz ab. Trotzdem hatte die Wiederholung etwas beinahe Steriles. Auf halbem Weg durch das Restaurant erkenne ich eine bekannte Person.
„ Mr. von Hohenau“, begrüße ich ihn, doch der Name klingt fremd und holprig aus meinem Mund, „wie schön Sie schon so bald wiederzusehen.“ Freundlich nicke ich ihm zu und er begrüßt meine Begleiter. Mr. und Mrs. Fröhlich haben keine Schwierigkeit mit seinem Nachnamen und für einen Moment unterhalten sie sich in ihrer Muttersprache, auch wenn das Deutsch der Fröhlichs nicht so rein klingt wie das des Mr. von Hohenau. Eine interessante, aber sehr harte Sprache, wie mir scheint. Einige Brocken kann ich, dank eines intensiven Crashkurses, verstehen, aber nicht alles. Wie man „ch“ ausspricht ist mir ein Rätsel, es wird immer zu „ck“ und diese Katastrophe mit den drei Artikeln. „Der“ und „die“ leuchtet mir ja noch ein, aber „das“ – wer soll das denn verstehen?
Naja. Während sie sich unterhalten, durchqueren wir das Restaurant und finden uns im Casinobereich wieder. Christopher und Melody scheint es genauso wie mir zu gehen, denn sie werfen sich verständnislose Blicke zu.
„ Oh, bitte verzeihen Sie, wie unhöflich.“ Alexander von Hohenau sieht ernsthaft zerknirscht aus. Wir nehmen die Entschuldigung großzügig an und Mr. von Hohenau wendet sich an mich. „Miss Ashton. Ich bin froh Sie getroffen zu haben. Lord Benjamin bat mich Ihnen auszurichten, dass er das Abendessen gerne verschieben möchte.“
Meine Begleiter wechseln vielsagende Blicke.
„ Ach, wie schade. Ich hatte mich sehr darauf gefreut“, entgegne ich.
Er hebt beschwichtigend die Hände und klingt ein wenig verlegen. „Oh nein, Miss Ashton. Er bittet Sie heute Abend in den Nachtclub. G32, wenn ich nicht irre.“
Überrascht sehe ich ihn an und bemerke die
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