Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
verletzt und du hast es getrunken.“ Ich kann nichts erwidern, sondern ihn einfach nur ansehen.
„ Weißt du wie verstörend dieser Anblick ist, wenn man selber gerade erst zu sich kommt und sich schwach und hilflos fühlt? Ich dachte, sie würde dich umbringen.“ Er sagt nichts weiter und ich kann ihn nicht ansehen. Die Situation hat mich doch verletzlicher gemacht, als ich es erwartet hätte.
Etwas lahm erwidere ich daher: „Das ging mir damals genauso.“
Er zieht eine Augenbraue hoch. „Damals?“ Ich nicke. Tausend Fragen stehen in seinem Gesicht und er entscheidet sich für die, die er wohl für die ungefährlichste hält. „Wie alt bist du denn, wenn ich diese indiskrete Frage stellen darf.“
Er erntet einzig ein wissendes Lächeln. „Älter als ich aussehe.“
Wieder Schweigen. Er verdaut die einzelnen Informationen und wohl auch das Erlebte. Plötzlich überkommt mich Angst. Was wird er jetzt tun? Habe ich ihn verloren? Wenn er jetzt geht, könnte ich ihn nicht daran hindern. Wahrscheinlich würde ich Nicole bitten Jason anzurufen und mich dann widerstandslos in ein Flugzeug oder ähnliches gen London verfrachten lassen. Dort würde ich mich in eines von Jasons Gästezimmern verkriechen und erstmal nicht mehr rauskommen. Doch vielleicht …
Vorsichtig strecke ich die Hände nach ihm aus. Er zuckt nicht zurück, was ich für mich als gutes Zeichen interpretiere.
„ Du hast mir das Leben gerettet und dein eigenes dabei riskiert. Sehe ich das richtig?“
Bevor ich ihn erreicht habe, lasse ich die Hände wieder sinken. „Ja.“ Mehr kriege ich nicht heraus.
Seine Augen fixieren mich, so dass ich das Gefühl habe, wieder jung und verletzlich zu sein. „Warum?“
Ja, warum? Kurz überlege ich, es mit einem überlegenen „Ja, weißt du das denn nicht?“ zu versuchen, doch irgendetwas sagt mir, dass er das jetzt nicht hören will. Er wartet und ich springe.
„ Weil ich nicht zulassen konnte, dass du mir unter den Händen wegstirbst.“ Etwas klärt sich in seinem Blick.
„ Warum nicht?“ Weil ich keine Leichen hinterlassen will.
„ Ich konnte es einfach nicht.“ Meine Stimme wird leise und ich kann ihn nicht länger ansehen. Verlegen senke ich den Kopf und unterbreche damit den Blickkontakt zwischen uns. Tränen brennen in meinen Augen.
Er reagiert schnell und zieht mich an sich. Huch, wann hat er denn sein Hemd verloren? Die Wärme seiner Haut erfüllt mich und ich bin für den Moment verloren . „Wake me up inside. Call my name and save me from the dark. Bid my blood to run, before I come undone, save me from the nothing I’ve become. Bring me to life …“
Die Melodie geistert durch meinen Kopf und Teile davon muss ich wohl geflüstert haben, denn er antwortet mit: „Das ist es, was du fühlst?“
Ein Zittern geht durch mich – schon wieder. Es reicht ihm als Antwort. Leise murmelt er in mein Haar. „Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.“
Jetzt muss ich ihn doch ansehen. „Dann ekelst du dich also nicht vor mir?“
„ Mich vor dir ekeln?“
Ich nicke. „Weil ich das bin.“
„ Nein.“ Erleichterung! „… auch wenn ich zugeben muss, dass ich es immer noch nicht ganz glaube.“
„ Das verstehe ich.“
„ Gib mir also Zeit, mich damit anzufreunden.“
Noch einmal nicke ich und dann liegen wir einfach nur so da. Jeder mit sich und seinen Gedanken beschäftigt.
Erst jetzt bemerke ich den leichten Geruch, der sich über das Zimmer gelegt hat. Ein Geruch nach Sandelholz, Irisch Moos und einer Note, die ich noch nicht kenne. Interessant. Als nächstes geht mir auf, dass ich aus Gewohnheit nackt im Bett bin und zwischen seinem und meinem Schoß nur die Bettdecke liegt. In einem anderen Moment wäre dies sicher interessant. Jetzt bin ich ein bisschen peinlich berührt. Vorsichtig luke ich unter die Decke und stelle fest, dass er eine kurze Pyjamahose trägt.
Er hat meine Bewegung bemerkt und schaut mich halb verwundert an.
„ Würdest du mich einen Moment gehen lassen?“
„ Nur widerwillig.“ Dennoch löst er die Umarmung auf und ich schiebe mich vorsichtig aus dem Bett. Unsicher, ob ich mich aufrecht halten kann. Außerhalb des Bettes ist es merkwürdig kalt und ich beeile mich, wenigstens in einen Tanga zu schlüpfen. Fröstelnd krieche ich zurück zu ihm unter die Bettdecke. Unsere Körper schmiegen sich wortlos aneinander und ich empfinde die Wärme, die er ausstrahlt, als sehr angenehm.
Er liegt auf dem Rücken und ich seitlich daneben,
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