Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
habe ich mich zum Tisch von Ben, Alex und Fay bringen lassen. Dieser steht etwas abseits und ist durch eine Zierwand aus Holz vor den meisten Blicken der umstehenden Tische geschützt. Man bittet mich dazu und der aufmerksame Kellner erkundigt sich nach meinen Wünschen. Ich lasse ein Wasser kommen und sorge damit für Verblüffung, denn es stehen ausschließlich Weingläser auf dem sorgfältig gedeckten Tisch.
Sie sind mitten beim Essen. Ben, der nun direkt neben mir sitzt – natürlich hat er darauf bestanden – verzehrt gerade die Reste eines 250g Rumpsteaks mit Tequila BBQ Soße, Kartoffelecken und einer Portion gemischten Salats.
Alex hat sich eine Portion Pasta mit einer fein abgeschmeckten Soße aus Pflaumen, Tomaten und Basilikum kommen lassen und Fay genießt einen Baby Shrimp Cocktail an Zitronenschaum nebst einer gebackenen Kohlrabitarte. Ja, genau das, was ich mir auch bestellt hätte – nicht!
Nichtsdestotrotz wünsche ich ihnen brav einen guten Appetit und ernte verzückte Blicke von Fay. „Wollen Sie probieren?“, erkundigt sie sich.
Ich lehne jedoch höflich ab, denn ich verspüre sehr wenig Lust, eine der Speisen auch nur im Ansatz näher zu betrachten. Das ist so gar nicht meine Küche – bis auf das Steak vielleicht.
„ Schade, dass Sie schon etwas gegessen haben“, bindet Ben mich in das Gespräch ein. „Der russische Kaviar auf Toast war ein Gedicht.“
Mir dreht sich der Magen um. „Das glaube ich Ihnen gerne.“
„ Nehmen Sie doch den Nachtisch mit uns ein. Etwas Süßes geht immer.“ Er zwinkert mir zu und sein Knie streift meins unter dem Tisch.
„ Was haben Sie denn bestellt?“, erkundige ich mich bei Fay.
An ihrer Stelle antwortet mir jedoch Alex: „Es wird Limettensorbet mit Schokoladeneis und gefrorenem Vanillejoghurt geben, abgerundet mit einer Pfirsichsoße.“ Ach herrje!
„ Das klingt wirklich nach einem Genuss, aber ich bin tatsächlich wunderbar gesättigt.“ Demonstrativ lege ich die Hand auf meinen schlanken Leib. „Da geht nichts mehr rein.“
„ Und man will sich ja auch nicht die Figur verderben, nicht wahr?“, schmunzelt Fay neben mir.
„ So ist es“, pflichte ich ihr bei.
„ Aber das haben Sie doch gar nicht nötig.“ Alex’ Kompliment ist identisch mit dem, das ich Berta gemacht habe. Komisch, wie sich die Dinge wiederholen.
„ Dankeschön. Aber ich treibe ja auch genug Sport, um nichts daran zu ändern.“ Okay, das ist gelogen, denn schlichtweg ist es einfach so, dass ich eine schlanke Figur hatte, als ich verwandelt wurde. Daran wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern. Egal, wie sich das Idealbild der Frau entwickeln wird, ich werde ihm wohl stets ein Stück weit entsprechen.
„ Was tun Sie denn sonst so?“ Alex klingt interessiert und Fay wirft ihm einen kurzen Blick zu.
„ Ja, Christa. Erzählen Sie uns doch ein wenig von sich“, bittet sie. „Wir sind alle sehr interessiert, zum Beispiel daran, was sie beruflich tun.“
Und da ist er, der Moment, vor dem ich mich am meisten fürchte. „Raten Sie“, gebe ich lächelnd zurück.
Einen Moment entsteht Schweigen am Tisch, während jeder der drei versucht seine Eindrücke von mir mit einem Berufsbild in Verbindung zu bringen. Ich rufe mir kurz mein Erscheinungsbild ins Gedächtnis zurück und mein Lächeln wird breiter. Da kommen sie sowieso nicht drauf.
„ Sie sind selbstständig“, beginnt Alex etwas zaghaft. Ich nicke. „Ich hätte Sie mir auch nicht als Sekretärin oder Verkäuferin in einer Ladenkette vorstellen können.“ Er spießt zufrieden eine Nudel auf und beobachtet meine Reaktion.
„ Wieso?“, kommt mir Fay zuvor. „In einer exklusiven Boutique oder einem Juweliergeschäft vielleicht. Das wäre auch im Einzelhandel“, ergänzt sie und mein Grinsen wird breiter.
„ Nein, nein. Christa, Sie machen etwas Exklusives“, mischt sich Ben ein. „Sie ist einfach nicht der Typ für langweilige Arbeiten, oder siehst du das anders, Alex?“
Der Angesprochene stutzt kurz und für den Moment habe ich den Eindruck, dass etwas an diesem Tisch ganz und gar nicht stimmt. „Kommt darauf an, was du unter langweilig verstehst, Ben.“ Ja, es schwingt eine Mischung aus Missbilligung, Warnung und … leichter Drohung? … in Alex’ Stimme mit.
Ben geht geflissentlich darüber hinweg, lehnt sich demonstrativ zurück und tupft sich mit der Serviette seinen Mund ab. „Ich habe nichts gegen Anwälte. Jeder sollte einen haben.“ Sein Lächeln ist
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