Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
drückt pure Ablehnung aus.
Doch Collin lässt nicht locker. „Das können Sie nicht – ich brauche Sie!“ Ja, ist der bescheuert, oder was?
„ Ich Sie aber nicht.“ Sharroll macht entschlossen einen Schritt zurück und vergrößert so den Abstand zwischen sich und Collin.
Dieser fällt nun theatralisch auf die Knie und hebt die Hände, als wollte er sie anbeten. „Ich biete Ihnen 50 Prozent“, er hält inne, als Sharrolls Augen sich merklich zu verdrehen beginnen. „Ach was, wer wird denn knauserig sein? Ich biete Ihnen 75 Prozent meiner Einnahmen!“
Wäre sein Verhalten nicht so dreist, wäre die Szene beinahe komisch. Collin, der wie ein liebeshungriger Narr vor Sharroll kniet, die ihm einen Korb nach dem anderen gibt. Ein kurzer Blick in seine Aura zeigt mir, dass er nicht aufgeben wird. Die Idee, dass Sharroll ihm zu einem Durchbruch als Regisseur verhelfen wird, hat sich in seine Gedanken eingebrannt und irgendetwas scheint ihm geflüstert zu haben, dass er Sharroll dafür tatsächlich zu „brauchen“ scheint. Seltsam. Wie kann er auf diese Idee gekommen sein? Ich war’s jedenfalls nicht.
Plötzlich dämmert mir, dass ich dem Ganzen eventuell eine Grenze setzen könnte, indem ich mich in seine Gedanken einmische, aber noch sind zu viele Menschen anwesend. Dennoch wappne ich mich, Sharroll vor dem besessenen Collin zu retten. Na gut, oder mich zumindest zwischen sie zu stellen, sollte die Situation noch unwirklicher werden. Sharroll sieht Collin erneut an und man kann ihr ihre Abscheu jetzt überdeutlich anmerken.
„ Hören Sie zu, Mr. Fearweather …“, beginnt sie.
„ Nennen Sie mich doch bitte Collin. Das machen alle meine Freunde.“ Er ist aufgestanden und ihr den einen Schritt gefolgt, den sie zurückgewichen ist.
„ Ich bin nicht Ihre Freundin.“ Sharroll versucht kategorisch aufzutreten, aber langsam mischt sich so etwas wie leichte Panik in ihre Stimme. Klar, das würde mir auch so gehen, wenn ich in ihrem Alter wäre. Also bewege ich mich, von einem plötzlichen Beschützerinstinkt gepackt, in ihre Richtung.
„ Natürlich nicht, aber wir werden sicher Freunde werden. Ganz sicher.“ Collin steht nun sehr nahe vor ihr.
Sharroll setzt an, einen weiteren Schritt zurück zu machen, doch da stoßen ihre Beine an den Hocker vor dem Flügel. Also bleibt sie stehen, denn das Letzte, was sie will, ist mit Sicherheit, Collin auszuweichen, indem sie sich hinsetzt. „Ich suche mir meine Freunde selbst aus, und Sie gehören nicht dazu. Lassen Sie mich in Ruhe!“ Die letzten Worte unterstreicht sie mit einer abwehrenden Geste. Ich beschleunige meine Schritte, um notfalls eingreifen zu können.
„ Ach, das meinst du nicht so, Schätzchen.“ Aha, wir sind jetzt also schon beim Du. Collin beugt sich vor, als wollte er sie berühren, und ich setze zum Sprung an. „Du wirst sehen, wir werden uns ganz ausgezeichnet verstehen.“ Seine Stimme hat jetzt einen merkwürdigen Unterton und mir stellen sich die Nackenhaare auf. Ich hasse diesen Ton, den Männer immer dann anschlagen, wenn sie meinen, man könne ihnen nicht entrinnen und sie seien am Ziel ihrer Wünsche angekommen.
Sharroll handelt schneller, als ich es von ihr erwartet hätte.
Es knallt zweimal deutlich, denn sie hat Collin, der sich nun mehr und mehr in ihre Richtung gebeugt hat, zwei schallende Ohrfeigen verpasst. Bravo!
Collin taumelt wie ein Betrunkener zurück und prallt gegen die Brust eines Mannes im schwarzen Anzug. Ich stutze, denn er sieht beinahe so aus, als wäre er einem Agentenfilm entsprungen und hätte dort für den Secret Service gearbeitet. Wo der auf einmal hergekommen ist, kann ich nicht sagen, aber er ist da. Seine großen Hände halten Collin fest wie ein Schraubstock.
„ Belästigt Sie dieser Mann, Madam?“ Seine Stimme gleicht einem gut gestimmten Bass. Aber was will man auch erwarten, wenn sie aus dieser Brust kommt? Beinahe kann man die Muskelstränge unter dem weißgestärkten Hemd erkennen.
Sharroll kann so schnell nicht antworten, atmet aber erleichtert auf. Also schalte ich mich ein. „Ja Sir. Dieser Mann belästigt meine Freundin.“
Jetzt blickt er mich an und in diesem Blick liegt eine so freundliche Professionalität, dass mir beinahe mulmig wird. Unwillkürlich halte ich inne und verschließe mein Innerstes vor diesem Blick. Mich schaudert und eins wird mir schlagartig klar: Wer auch immer er ist, ich möchte ihn nicht zum Gegner haben. Als Beute, vielleicht, aber nicht hier, wo er
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