Nachte des Sturms
Richtung des Horizonts blickte, und dachte an Heathcliff, Rhett Butler, Lancelot und sämtliche anderen Helden, von denen sie je geträumt hatte.
Sie war froh, dass sie sich an diesem Morgen Pattys neue Bluse ausgeliehen hatte, auch wenn ihre Schwester darüber sicher nicht sonderlich erfreut wäre, sich die Haare glatt strich und eilte in Richtung ihres Schwarms.
»Shawn.«
Als er sich umdrehte und sie in seine Richtung kommen sah, verfluchte er sich selbst. Vor lauter Gedanken an Brenna hatte er die Möglichkeit, ihrer Schwester zu begegnen, einfach nicht bedacht.
Vorsicht, Gallagher, sagte er sich. »Guten Morgen, Mary Kate. Ich hatte ganz vergessen, dass es hier im Hotel inzwischen nur so wimmelt von O’Tooles.«
Sie hatte einen Knoten in der Zunge. Seine Augen leuchteten im Licht der winterlichen Sonne so intensiv, dass sie, wenn sie tief genug hineinsah, sich selbst darin erblickte. Eine wirklich verführerische Überlegung.
»Ich habe gerade eine kurze Pause. Du solltest hereinkommen, dich aufwärmen und von mir zu einem Tee einladen lassen.«
»Danke für das Angebot, aber ich bin auf dem Weg zum Grab der alten Maude. Tim Riley hat gerade die Netze eingezogen. Sie schienen ziemlich voll zu sein. Ich muss unbedingt später zu ihm und ihm was von seinem Fang abkaufen.«
»Warum kommst du nicht auf dem Rückweg kurz herein?« Sie neigte ihren Kopf, fuhr sich mit einer Hand durch ihre Haare und bedachte ihn mit einem Blick, den sie stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. »Ich kann meine Mittagspause machen, wann ich will.«
»Ah …« Sie hatte mehr Talent zum Flirten, als er gedacht hatte. Es war wirklich beängstigend. »Ich muss bald in den Pub.«
»Ich würde mich wirklich gern mit dir unterhalten.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Wenn mal nicht so viel los ist.«
»Tja, kein schlechter Gedanke. Aber jetzt muss ich wirklich los, und du solltest auch besser wieder reingehen. Wenn du noch länger in dieser dünnen Bluse hier draußen in der Kälte stehst, bekommst du sicher einen Schnupfen. Bitte grüß deine Familie von mir.«
Er setzte sich eilends in Bewegung, und Mary Kate blieb seufzend stehen. Er hatte die Bluse tatsächlich bemerkt.
Er hatte die Sache gut hinter sich gebracht, beglückwünschte sich Shawn. Freundlich, wie ein älterer Bruder gegenüber einer kleinen Schwester. Eindeutig war die kleine Krise überstanden. Und im Grunde war es niedlich, dass sie für ihn geschwärmt hatte. Ein wenig Schmeichelei tat jedem Mann gut, und trotzdem war es ihm gelungen, die Fronten zu klären, ohne auch nur den geringsten Schaden zu verursachen.
Dennoch wäre ein wenig Unterstützung sicher nicht von Nachteil, also tauchte er die Hände in den Brunnen von Saint Declan und verspritzte das Wasser auf der Erde.
»Könnte es sein, dass ein moderner Mann wie du tatsächlich abergläubisch ist?«
Shawn hob den Kopf und blickte in die leuchtend blauen
Augen des Feenprinzen Carrick. »Ein moderner Mann wie ich weiß eben, dass es einen Grund zum Aberglauben gibt, vor allem, wenn er hier steht und ein Gespräch mit jemandem wie dir führt.«
Da er nicht ohne Grund gekommen war, ging Shawn von dem Brunnen in Richtung von Maudes Grab. »Treibst du dich eigentlich immer hier in der Gegend herum? Ich kenne diesen Friedhof, seit ich ein kleines Kind war, aber ich habe dich erst vor kurzem zum ersten Mal gesehen.«
»Vorher gab es keinen Grund für dich, mich zu sehen. Ich habe eine Frage, Shawn Gallagher, und ich hoffe, dass du sie mir beantwortest.«
»Um dir das sagen zu können, muss ich die Frage erst mal hören.«
»Da hast du natürlich Recht.« Carrick setzte sich Shawn gegenüber auf die Erde und sah ihm ins Gesicht. »Worauf in drei Teufels Namen wartest du so lange?«
Shawn hob seine Brauen und legte seine Hände auf die Knie. »Auf alle möglichen Dinge.«
»Diese Antwort ist mal wieder typisch für einen Kerl wie dich.« Carricks Stimme klang erbost. »Ich spreche von Mary Brenna O’Toole und davon, dass du immer noch nicht mit ihr geschlafen hast.«
»Das ist ja wohl eine Sache, die nur sie und mich etwas angeht«, kam die ruhige Antwort. »Dich zumindest betrifft sie ganz bestimmt nicht.«
»Und ob sie mich betrifft.« Carrick war schneller auf den Beinen, als es das menschliche Auge wahrzunehmen vermocht hätte. Der Ring an seinem Finger leuchtete in einem dunklen Blau und der Silberbeutel an seinem Gürtel glitzerte. »Ich dachte, du würdest diese Dinge verstehen,
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