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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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einem Anlaß, Dinos zu entkommen, und ließ mich deshalb auf Kosmas ein. Ich lebte ein Jahr lang in ständiger Furcht. Ich zitterte davor, daß Dinos etwas herausbekommen könnte, denn dann hätte er keine Gnade gekannt. Kosmas war klar, daß die Sache so nicht weitergehen konnte. Er riet mir, Dinos zu verlassen und mit ihm zusammenzuziehen. Eines Abends, als Dinos im Rembetiko war, raffte ich schnell ein paar Klamotten zusammen, warf sie in einen Koffer und haute ab. Mit dem Geld, das Kosmas durch seine Auftritte verdient hatte, gründete er ein kleines Schallplattenlabel, die Phonogramm. Anfänglich wohnten wir in Hotels. Dann mieteten wir uns in diesem Haus ein. Als wir hierher zogen, galt diese Gegend als Ende der Welt, doch wir wollten so weit wie möglich von Dinos weg sein.«
    Sie pausiert erneut. Ich höre ihre Worte, doch meine Gedanken weilen bei Elena Kousta, die laut Makis jeden Dienstagnachmittag von zu Hause verschwindet. Ungefähr so mußte es auch bei der Karamitri gelaufen sein.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee vielleicht?« Sie versucht Zeit zu gewinnen, entweder weil sie die ganze Geschichte nicht in einem Stück durchsteht, oder weil sie ihre Lüge nochmals durchdenken möchte.
    »Nein, danke.«
    Sie hatte sich schon halb erhoben und läßt sich nun wieder in den Sessel fallen. Sie holt tief Luft. »Ich hatte erwartet, daß Dinos mir nachlaufen, daß er mich hetzen und jagen würde, doch es passierte nichts, er ging auf Tauchstation. Er veranlaßte einzig und allein, daß Kosmas überall die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde. Keiner wollte ihn engagieren. Auch das Schallplattenlabel lief nicht gut. Sobald er mit einer Firma einen Vertrag schließen wollte, kam in letzter Minute immer irgend etwas dazwischen. Schließlich ging ihm das Geld aus, und er war gezwungen, zu Wucherzinsen Geld zu leihen.«
    Sie verstummt und blickt wieder zu ihrem Mann. Ihre Augen betteln, er möge mit der Erzählung fortfahren, doch sein Gesicht bleibt ausdruckslos.
    »Eines Abends, so gegen neun, läutete es an unserer Tür. Ein kleiner Lieferwagen stand vor dem Haus. Und im Garten lagen meine ganzen Kleider verstreut, die ich bei meiner Flucht zurückgelassen hatte. Dinos stand daneben und lachte. ›Da hast du deine Garderobe‹, sagte er. Wir hatten knapp fünfzehn Jahre zusammengelebt, und höchstens zweimal im Jahr, zu Weihnachten und zu Ostern, hatte ich ihn lächeln sehen. Jetzt krümmte er sich vor Lachen. Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Sie wissen, was ich sagen möchte: Wenn man es mit einem Menschen zu tun hat, der keinen Spaß versteht, und ihn mit einem Schlag lachen sieht, dann freut man sich nicht mit ihm – sondern erschrickt. ›Laß mich rein, ich will mit dir reden‹, sagte er zu mir und benahm sich, als wäre er bei sich zu Hause. ›Wie läuft’s, Kosmas?‹ fragte er meinen Mann. ›Ich habe gehört, deine Geschäfte gehen nicht gut.‹ All das auf eine ganz herzliche Art, als spräche er mit einem guten Freund. ›Ich hätte da etwas für dich‹, sagte er dann. Er öffnete seine Brieftasche und zog einen Scheck heraus.«
    »Es war ein Scheck über fünfzehn Millionen, den ich einem Wucherer als Sicherheit für ein Darlehen gegeben hatte.« Karamitris mischt sich plötzlich in das Gespräch ein, ganz unvorhergesehen, wie ein Schauspieler, der auf seinen Einsatz gewartet hat. »Wie er daran gekommen ist und wem er den Scheck abgekauft hat, bleibt sein Geheimnis. Er fragte mich, ob ich die Summe auszahlen könnte. Er fragte das mit voller Absicht, um sich einen Spaß mit mir zu erlauben. Er wußte, daß wir nicht mal die Zinsen bezahlen konnten. Da machte er uns den Vorschlag.«
    »Was für einen Vorschlag?«
    »Er sagte mir, er würde den Scheck wieder einstecken und das Darlehen um die geschuldeten Zinsen aufstocken, doch er stellte zwei Bedingungen.«
    »Und welche?«
    »Erstens sollte ich meine Kinder nicht mehr wiedersehen«, nimmt die Karamitri den Faden wieder auf. »Ich verstand den Grund für diese Bedingung nicht ganz. Ich hatte niemals versucht, Makis oder Niki zu treffen.«
    Aber mir ist der Grund klar. Makis litt unter der Trennung, sehnte sich nach seiner Mutter, und Koustas wollte sichergehen, daß Loukia nicht schwach werden würde, sollte Makis auf sie zugehen.
    »Und die zweite Bedingung?«
    »Ich sollte eines seiner Unternehmen leiten und alles tun, was er mir anordnete. ›Solange du parierst, habt ihr nichts zu befürchten, denn ich werde den

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