Nachtfalter
Apartment und Segelkreuzfahrten? Ich warte ab, seinen Steuerbescheid zu Gesicht zu bekommen, vielleicht bringt der Licht ins Dunkel. Ich habe keine weiteren Fragen mehr und halte nur noch ihre Personalien fest – Marianthi Kritikou. Dann lasse ich sie in Frieden.
Normalerweise würde ich jetzt die Treppe nehmen, um eine Etage tiefer weiterzumachen, doch da ich Ousounidis versprochen habe, mich nicht zu überanstrengen, warte ich auf den Fahrstuhl. Ich läute an der Klingel des unter Petroulias’ Wohnung liegenden Apartments. Eine dunkelhaarige, geschminkte und herausgeputzte Frau im Afrolook öffnet die Tür. Hauskleider und Schürzen gehören wohl unwiderruflich der Vergangenheit an. Heutzutage wachen alle Hausfrauen schon aufgetakelt auf. Aber vielleicht tue ich ihr unrecht. Möglicherweise hat sie sich in Gala geworfen, weil sie hoffte, daß die Fernsehsender kommen würden und sie die Chance bekäme, sich über Petroulias auszulassen.
»Ja«, meint sie kurz angebunden, als wolle ich ihr Tupperware andrehen.
»Kommissar Charitos –«
Sie läßt mich gar nicht weiterreden. »Wenn es sich um den obendrüber handelt, dann habe ich alles schon gestern einem Ihrer Leute gesagt. Ersparen Sie mir, alles von vorne zu erzählen.«
»Ein bis zwei kleine Fragen würde ich Ihnen gerne stellen, es dauert auch nicht lang.«
»Sie brauchen mir keine Fragen zu stellen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas, dann ist Ihnen alles klar.«
Sie führt mich in die Wohnung. »Sehen Sie nur«, meint sie und deutet auf eine Ecke des Wohnzimmers, wo sich an der Decke Blasen gebildet haben. »Ein Wasserschaden, der meine Zimmerdecke ruiniert hat und den dieser unsensible Klotz auf dem Gewissen hat. Wir haben dem Hausverwalter Bescheid gegeben, doch der ist ein Faultier und erklärte uns, er könne die Wohnung nicht aufbrechen, da würde er in Teufels Küche kommen. Also warteten wir auf seine Rückkehr, um die Zimmerdecke auf seine Kosten renovieren zu lassen. Und nun erfahren wir, daß man ihn umgebracht hat. Wie sollen wir jetzt den Wasserschaden bei den Erben geltend machen!«
Da wurde ihr Nachbar ermordet, verscharrt und durch das Erdbeben wieder ans Tageslicht gefördert, und sie hat einzig und allein ihren Wasserschaden im Kopf.
»Kannten Sie ihn?« frage ich sie.
»Wir haben ihn ab und zu im Treppenhaus gesehen, doch nicht einmal gegrüßt. Denn wenn er da war, dröhnte er uns mit seiner Stereoanlage die Ohren voll, und als er weg war, lief das Wasser zu uns durch. Das war ein Nachbar, kann ich Ihnen sagen!«
»Haben Sie jetzt erst erfahren, daß er umgekommen ist? Haben Sie ihn nicht im Fernsehen wiedererkannt?«
»Wieso sollte ich ihn da wiedererkennen? Jeden Abend werden uns doch mindestens zehn Leichen auf der Mattscheibe vorgesetzt, es ist zum Verrücktwerden! Und da sollte ich Petroulias erkennen? So berühmt war er nun auch wieder nicht.«
Ich sehe, daß ich nichts weiter herausbekommen kann, und bereite meinen Abgang vor. An der Tür hält sie mich zurück. »Sagen Sie mal, Sie sind doch Kommissar, Sie werden Bescheid wissen. Geht eine Strafanzeige auf die Erben über?«
»Ich bin Kommissar, kein Rechtsanwalt«, sage ich. Meine Entgegnung gefällt ihr ganz und gar nicht, und sie knallt die Tür hinter mir ins Schloß.
20
I ch habe keine Ahnung, wer ihnen zugesteckt hat, daß es mir wieder gutgeht und ich im Dienst bin. Jedenfalls stehen alle Wiederkäuer in Reih und Glied auf dem Flur und warten auf mich, mit Sotiropoulos, wie immer, an der Spitze. »Guten Tag, Herr Kommissar«, rufen alle zusammen im Chor. Dann beginne ich einzelne Solostimmen herauszuhören: »Alles Gute«, »Sie sind uns abgegangen«, »Überanstrengen Sie sich nicht«, »Hören Sie besser auf zu rauchen«. Ich antworte mit einem allgemein gehaltenen und wenig aussagekräftigen »Danke schön, Leute«, so als winke ich grüßend einer Menschenmenge zu. Den Spruch »Ich bin zutiefst gerührt« schenke ich mir, denn ich bin es nicht.
»Kommen Sie rein, aber nur kurz. Ich soll mich noch schonen, das wissen Sie ja.« Wer wollte mir hier widersprechen?
Ich trete in mein Büro und bleibe einen Augenblick stehen, um mich umzusehen und den Raum auf mich wirken zu lassen. Die anderen stürmen an mir vorbei und schicken sich an, ihre Mikrofone aufzustellen und ihre Kameras einzurichten, sie haben es so eilig wie Straßenhändler, die mit der Marktpolizei Katz und Maus spielen. Ich bereue bereits, daß ich sie hereingelassen habe. Ich hätte lieber
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