Nachtfalter
erst ein wenig für mich bleiben, mich an meinem kleinen Reich erfreuen und sie erst dann hereinrufen sollen. Aber nun ist es zu spät, und das einzige, was mir zu tun bleibt, ist, sie kurz an den Futtertrog zu lassen und dann so schnell wie möglich loszuwerden.
»Über den unbekannten Toten wissen Sie bereits Bescheid, da brauche ich mich nicht zu wiederholen. Er wohnte in einem Dachgeschoß in der Panga-Straße 19. Sein Apartment wurde verwüstet. Wir wissen noch nicht, ob sich die Eindringlinge vor oder nach dem Mord darin zu schaffen machten.«
»Schließen Sie die Möglichkeit eines Einbruchs aus?« Derjenige, der mich fragt, ist ein Neuer, ich sehe ihn zum ersten Mal. Sein Haar glänzt wie mit Wachs überzogen und klebt an seinem Schädel.
»Wir schließen das nicht aus, doch wir schätzen es als unwahrscheinlich ein. Es scheint nichts entwendet worden zu sein. Die Eindringlinge suchten nach etwas, doch wir wissen noch nicht, wonach.«
»Haben Sie herausgefunden, wie er auf die Insel gelangt ist?« fragt Sotiropoulos.
»Entweder mit einer Jacht oder mit einem Segelboot. Die Nachforschungen sind noch im Gange.«
»Glauben Sie, daß der Mord etwas mit seiner Tätigkeit als Schiedsrichter zu tun hat?« fragt die etwas zu kurz Geratene mit den X-Beinen, die gerne lilafarbene Miniröcke trägt. »Hatte er etwas mit abgekarteten Fußballspielen zu tun?«
»Auch das muß noch überprüft werden. Das war’s, Leute, weiter gibt’s keine Neuigkeiten«, füge ich hinzu.
Zu ihrer Ehrenrettung muß ich sagen, daß sie mich nicht unter Druck setzen und diskret abgehen. Sotiropoulos bleibt, seiner lieben Gewohnheit folgend, als letzter übrig. Er gefällt sich darin, durchblicken zu lassen, daß er eine enge Beziehung zu mir pflegt, von der die anderen nur träumen können. So glaubt er, sich als Führungspersönlichkeit profilieren zu können.
»Nach dem, was ich von den Sportreportern höre, war dieser Petroulias ein übler Geselle«, sagt er. »Der hat regelmäßig Schmiergelder eingesackt.«
»Kann sein. Wenn es so ist, werden wir das herausbekommen. Keine Sorge.«
»Was läuft mit Koustas?«
»Nichts Neues.«
»Da wird auch nichts nachkommen, da können Sie lange warten.«
»Warum reiben Sie mir das ständig unter die Nase? Was wissen Sie verdammt noch mal über Koustas, Sotiropoulos?« Ich fahre ihm absichtlich heftig über den Mund, in der Hoffnung, ihm vielleicht etwas zu entlocken.
»Ach, alles nur Gerüchte und leeres Gerede, nichts Konkretes. Möglich, daß mein Verdacht aus der Luft gegriffen ist. Doch genausogut möglich, daß ich ins Schwarze treffe.«
Er geht auf die Tür zu. »Schön, daß Ihnen nicht Ernstes fehlt. Was würde ich bloß ohne Sie tun?« meint er beim Hinausgehen. Du würdest meinen Nachfolger bis aufs Blut quälen, sage ich zu mir selbst.
Ich bleibe hinter der geschlossenen Tür allein zurück und atme erleichtert auf. So ein Glücksgefühl habe ich nicht einmal damals empfunden, als ich zum ersten Mal in dieses Büro trat. Obwohl das mit meiner Beförderung verbunden war. Mich überkommt ein riesiges Verlangen nach einer Zigarette, doch ich habe Ousounidis mein Wort gegeben und beiße die Zähne zusammen. Adriani wollte mir auch gleich den Kaffee entziehen, weil er ihrer Meinung nach Herzklopfen verursacht. Aber ich habe ihr auseinandergesetzt, daß ich einzig und allein von ihrem unaufhörlichen Gejammer Herzklopfen bekomme. Das Problem des Ehelebens ist, daß alles immer schön anfängt und schlimm endet: Aus dem Herzklopfen des ersten Rendezvous mit der Frau deiner Träume wird das Herzrasen aufgrund des dauernden Zusammenlebens mit der Frau deiner Alpträume.
Ich stecke die Hände in die Taschen meines Sakkos und beginne Medikamente auf meinem Schreibtisch aufzureihen: 0,25 mg Digoxin, 20 mg Monosordil, 500 mg Salospir-A, 40 mg Interal. Adriani bestand darauf, daß ich alle Medikamente in zweifacher Ausfertigung besitze, einmal für zu Hause und einmal für die Dienststelle. Ich gab klein bei, denn sie gehören von jetzt an zu meinem Leben wie Anzüge, Krawatten und Schuhe. Auch davon hat man mindestens zwei Stück, nicht nur ein Einzelexemplar. Zuletzt ziehe ich das Zettelchen hervor, worauf sie notiert hat, was ich wann einnehmen muß. Ich lerne es auswendig, um nicht jedes Mal darauf schielen zu müssen wie ein Schüler auf seinen Spickzettel.
Ich setze mich telefonisch mit Koula in Verbindung, um in Erfahrung zu bringen, ob Gikas oben ist. Sie erklärt mir, er
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