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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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ist, erinnert sie mich an das Haus meiner Schwägerin nach dem Erdbeben. Nur daß Petroulias nicht mehr dazu kommt, alles wieder aufzuräumen. Die Sessel sind durcheinandergeworfen, die Sofas wurden mit einem Teppichmesser aufgeschlitzt, die Bücher aus ihren Regalen gefegt. Desgleichen das Fernsehgerät, das am Boden liegt und mit zerborstener Bildfläche vor sich hin starrt. Die Stereoanlage ist zertrümmert worden, und die Kabel sind aus der Wand gerissen. Nur der runde Rauchglastisch ist dem Wirbelsturm entronnen.
    Ich verlasse das Wohnzimmer und trete ins Schlafzimmer. Das gleiche Bild. Der Parkettfußboden ist aufgequollen und wellig, da die Täter nicht damit rechneten, daß sie ein Wasserbett aufschlitzen würden. Ich stelle mir die Fluchorgie vor, die sie von sich gaben, als sie naß wurden. Die Schubladen des Kleiderschranks liegen auf dem Boden, und ringsum liegen Unterwäsche und Socken, Hemden und T-Shirts verstreut. Alles teure Markenware. Ich werfe einen Blick auf seine Anzüge, die am Boden des Kleiderschranks auf seinen Schuhen liegen. Sie sind ziemlich grell in den Farben und erinnern mich an die Anzüge des Fernsehmoderators. Ich denke, daß alles, was ich vor mir habe, eine Art von Reality Show ist – mit dem toten, am höchsten Punkt der Insel verscharrten Petroulias als Hauptdarsteller und seinem zu einer Müllhalde der modernen Warenwelt verkommenen Apartment. Ich habe keine Ahnung, wonach sie suchten, jedenfalls wühlten sie mit unglaublicher Intensität, das merkt man auf den ersten Blick. Nun entdecke ich noch zwei glänzende Hemden und zwei kurze schwarze Hosen – die Kostümierung für seinen Schiedsrichterjob.
    Mit einem Mal fällt mir ein, daß ich mich nicht überanstrengen sollte. Ich rücke den einzigen heil gebliebenen Sessel auf den Flur und lasse mich hineinfallen. Hier ist der ruhigste Punkt in der Wohnung, und ich vermeide es, den Leuten von der Spurensicherung im Weg zu stehen, die es so schon schwer haben, in diesem Chaos ihre Arbeit zu verrichten.
    Katerina hat mich um zehn Uhr morgens hierher gefahren. Als ich sah, wie sie sich im Schweiße ihres Angesichts abmühte, den Mirafiori in Gang zu bringen, und nach Leibeskräften das Lenkrad einschlug, das wirklich verdammt schwer zu drehen ist, konnte ich nach einer Woche tiefster Niedergeschlagenheit endlich mal wieder herzlich lachen. »Papa, wieso verkaufst du den hier nicht und nimmst dir gleich eine Straßenwalze als Dienstfahrzeug?« meinte sie irgendwann erbost. Sie ließ mich an der Panga-Straße 19 aussteigen und sagte, sie würde mich um ein Uhr am Alexandras-Boulevard abholen. Da begriff ich, was sie bezweckte. Einerseits will sie mich schon herumchauffieren, damit ich mich nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln abquälen muß, andererseits hat sie auf diese Weise aber auch meinen Tagesablauf im Griff und kann mich daran hindern, mich frei zu bewegen.
    »Habt ihr was gefunden?« frage ich Dimitris von der Spurensicherung.
    »Jede Menge Fingerabdrücke, doch von den Tätern werden keine darunter sein. Die trugen bestimmt Handschuhe. Und Schuhabdrücke im Wohnzimmer und im Flur. Ihre Schuhe sind naß geworden, und sie haben überall ihre Spuren hinterlassen.«
    »Waren es einer oder zwei?«
    »Zwei, das erkennt man an den verschiedenen Schuhen. Der eine trug Turnschuhe, der andere Schuhe mit Gummisohlen.«
    »Irgendwelche Gegenstände aus Petroulias’ Besitz?«
    »Nur eine Strom- und eine Telefonrechnung, die unter der Tür durchgeschoben worden sind. Sonst nichts.«
    Die Rechnungen sind bestimmt erst nach dem Barbareneinfall zugestellt worden. Alle anderen persönlichen Unterlagen haben die Täter mitgenommen, entweder um keine Hinweise zurückzulassen oder in der Absicht, sie in aller Ruhe zu inspizieren.
    Nach so vielen Tagen der Unbeweglichkeit im Krankenbett habe ich das Herumsitzen satt und beschließe, mich über die Klingeln der Nachbarn herzumachen, um möglicherweise einen Zeugen aufzugabeln, obwohl das Vlassopoulos bereits gestern glücklos versucht hat.
    Ich läute an der Klingel gegenüber, auf der der Name ›Kritikou‹ geschrieben steht. Vlassopoulos hatte niemand geöffnet, doch ich habe mehr Glück. Nach dem zweiten Läuten höre ich Schritte nahen und eine junge fragende Stimme: »Wer ist da?«
    »Polizei. Kommissar Charitos.«
    Die Tür geht sofort auf. Die Frau, die vor mir auf der Türschwelle steht, ist älter, als man von der Stimme her schließen könnte. Sie muß wohl um die Siebzig sein,

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