Nachtfalter
Polizeipräsidium. Der Verkehr auf der Pireos-Straße hält sich in Grenzen, wie jeden Montag- und Mittwochnachmittag, wenn die Geschäfte geschlossen sind. Ich lasse den Mirafiori dahinrollen und zermartere mein Hirn, ob mir irgendwo die Information untergekommen ist, daß Koustas der Besitzer von Triton war. Normalerweise erinnere ich mich wortwörtlich an alles, was ich lese, denn ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Doch gut möglich, daß infolge meiner Krankheit das Blitzlicht kaputt ist. Außerdem beschäftigt mich noch eine andere Frage: Sind die Morde an dem Schiedsrichter und am Besitzer einer Mannschaft der dritten Liga unabhängig voneinander, oder stehen sie in einem Zusammenhang? Nicht auszuschließen, daß Koustas Petroulias die zweieinhalb Millionen, auf die ich bei der Überprüfung seines Kontos bei der Interbank gestoßen war, zusteckte, damit er den Elfer pfiff und Triton nicht in die zweite Liga aufstieg. Jedenfalls halte ich es für unwahrscheinlich, daß Petroulias den Elfmeter aus eigenem Antrieb gab. Wenn nicht mal Kalojirou wagte, Koustas in die Schranken zu weisen, woher sollte dann Petroulias den Mut nehmen? Oder gibt es möglicherweise jemand außerhalb der Fußballwelt, dessen Interessen gefährdet waren und der beide auf dem Gewissen hat? Ich werde wohl die ganze dritte Liga auf den Kopf stellen und einen eigens engagierten Fußballexperten mit den Nachforschungen betrauen müssen, um den Mörder zu finden. Wobei mir das gewiß nicht vom Griechischen Fußballbund finanziert wird.
Vlassopoulos sieht mich ins Büro kommen und meldet sich sofort bei mir: »Ihre Frau hat zweimal angerufen«, sagt er.
»Wenn sie wieder anruft, sagst du ihr, daß ich noch nicht wieder zurück bin.« Ich habe keine Lust, mir ihr Gezeter anzuhören, daß ich mich als rekonvaleszenter Kranker totarbeite. »Und bring mir die Akte Koustas.«
Das hat er nicht erwartet, und er schaut mich erstaunt an. »Rollen wir den Fall wieder auf?«
»Weiß ich noch nicht.« Und ich erzähle ihm, was ich von Kalojirou erfahren habe.
»Soll das heißen, die beiden Morde hängen zusammen?«
»Wie ich schon sagte: Ich weiß es nicht. Nehmen wir uns einfach Koustas noch mal vor.«
Binnen kürzester Zeit liegt der Ordner auf meinem Schreibtisch, während Vlassopoulos mir gegenübersitzt und jede meiner Bewegungen verfolgt. Ich blättere aufmerksam darin, gehe den Bericht zweimal durch, doch nirgendwo findet Triton Erwähnung.
»Nichts zu finden«, sage ich zu Vlassopoulos.
Ich rufe die Antiterrorabteilung an und verlange nach Kommissar Stellas. Der Kriminalobermeister, den ich dann am Apparat habe, erklärt, Stellas sei gerade gegangen.
»Wer weiß sonst noch Bescheid im Fall Koustas? Sie wissen schon, der auf dem Athinon-Boulevard, vor dem Rembetiko, ermordet wurde.«
»Ich. Ich war vor Ort.«
»Sagen Sie mal, Herr Kriminalobermeister, können Sie sich vielleicht erinnern, ob irgendwann die Rede davon war, daß Koustas eine Fußballmannschaft, nämlich Triton, gehörte?«
»Nein, aber unsere Abteilung hat sich nicht näher mit dem Fall befaßt, Herr Kommissar. Sobald wir sicher waren, daß es kein Terroranschlag war, haben wir ihn sofort an Sie abgegeben.«
Uns werfen sie den Knochen erst hin, nachdem sie ihm das Mark ausgesaugt haben. »Du kannst gehen«, sage ich zu Vlassopoulos, der immer noch dasitzt und jede meiner Bewegungen verfolgt. »Wir können heute nichts weiter tun.«
So wie die Dinge liegen, bin ich gezwungen, Koustas’ Fall erneut aufzurollen. Und ich habe keine Ahnung, wie sich Gikas dazu stellen wird. Der wiegt sich im Augenblick noch in Sicherheit, weil er denkt, ich hätte die Angelegenheit unter den Teppich gekehrt. Eine zugegebenermaßen tollkühne Möglichkeit wäre, auf eigene Faust vorzugehen. Wenn nichts dabei herauskommt, lasse ich die Akte wieder verschwinden, und niemandem wird ein Haar gekrümmt. Sollte ich jedoch auf etwas Verdächtiges stoßen, dann stelle ich Gikas einfach vor vollendete Tatsachen. Was aber, wenn mich jemand bei ihm anschwärzt? Dann wird Gikas ein Donnerwetter loslassen, weil ich ihn nicht auf dem laufenden gehalten habe. Ich komme zu dem Schluß, daß die beste Lösung wohl die ist, die Dinge von Anfang an klarzustellen.
Über eine Dienstleitung lasse ich mich mit seinem Büro verbinden, und zu meiner Überraschung hebt er höchstpersönlich den Hörer ab. »Ich muß Sie sprechen, es tut sich was im Fall Petroulias«, sage ich.
»Kommen Sie.«
Koulas Büro ist
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