Nachtfalter
Meinung, daß diese riesigen, auf Zementsäulen sitzender Wannen für ein Bad in der Menge geschaffen wurden.
Das Stadion leert sich gerade. Das Spiel war nur schwach besucht, und die Zuschauer gehen friedlich auseinander Auf den ersten Blick muß ich Nasioulis und Sotiropoulos recht geben. Keine Spur von Fanatismus oder Leiden schaff, doch das kann auch daran liegen, daß die Heimmannschaft den Sieg davongetragen hat.
Der Eingang zu den Duschräumen und Umkleidekabinen ist rechteckig und wird von zwei 25-Watt-Birnen hinter vergitterten Wandleuchten gerade so spärlich erhellt, daß ein mildes Halbdunkel entsteht. Auf der rechten Seite befindet sich eine Tür, auf der linken zwei. Durch die zweite Tür schwappen Wassermengen, die den See von Kastoria auffüllen könnten, nur die Forellen fehlen. Die andere Tür linker Hand ist geschlossen. Die rechte Tür steht offen, und aus dem Zimmer dahinter dringt wütendes Geschrei. Ich versuche den See zu durchqueren, indem ich meine Schuhe wie Segelmasten aufstelle: die Absätze im Wasser und die Zehen in der Höhe.
»Du bist ein vollkommener Versager!« dröhnt eine Stimme aus dem Zimmer. »Wir haben alle Spiele seit dem Beginn der Meisterschaft verloren. Noch eine Niederlage, und ich schicke dich in dein Dorf zum Olivenklauben zurück!«
Den Urheber des Geschreis sehe ich nicht, dafür den, dem die Tirade gilt – einen großgewachsenen, dünnen Mann im Trainingsanzug, der mit eingezogenem Kopf und erhobenen Armen dasteht.
»Die Mannschaft wird sich wieder aufrappeln, Herr Kalojirou«, meint er entschuldigend. »Wir mußten eine ganze Menge Ausfälle verkraften und haben noch nicht den richtigen Rhythmus gefunden. In ein bis zwei Spielen sind wir wieder voll dabei.«
»Du hast neue Spieler von mir gefordert und sie auch bekommen. Jetzt behauptest du, die Mannschaft müßte erst den richtigen Rhythmus finden, als wären sie Konzertgeiger!«
Der Umkleideraum weist nur zwei aneinandergeschobene Sitzbänke und Wandhaken für die Kleidung der Spieler auf. Er ähnelt der Vorhölle, in die Flüchtlingsfamilien aufgenommen werden, bevor man sie in die richtige Hölle abschiebt. Die Spieler sitzen auf den Bänken und blicken betreten auf den Zementboden.
»Und ihr anderen seid auch nicht besser«, donnert Kalojirou erneut los. »Ihr stolpert auf dem Spielfeld umher und trefft nicht mal den Ball vor eurer Nase!«
Ich sehe, wie Sarafoglou, der am Ende der Holzbank kauert, schlagartig herumfährt. Sein Gesicht ist dunkel vor Zorn. »Warum beschweren Sie sich über unser schlechtes Spiel, Herr Kalojirou? Wir trainieren seit August, wir haben drei Spiele gespielt und noch keinen Lohn bekommen. Wir haben unsere Familien zu ernähren und müssen unseren Verpflichtungen nachkommen. Und da wundern Sie sich, in welchem Zustand wir auf dem Spielfeld herumlaufen?«
»Ihr könnt verdammt froh sein, daß ich euch überhaupt in der Mannschaft behalte. Wem hier was nicht paßt, der kann ja aufstehen und gehen. Die Vorstadt Athens ist voll von Kickern eures Kalibers.«
Jetzt ist mir klar, warum Sotiropoulos sie als den Plebs der Fußballwelt bezeichnete. Man trampelt auf ihnen herum, pinkelt sie an, läßt sie für eine Handvoll Kleingeld aufs Spielfeld laufen und bezahlt ihnen dann nicht einmal ihr Gehalt.
Mein Auge bleibt an zwei jungen Männern hängen, die aus der Richtung des Quellflusses des Kastoria-Sees auftauchen. Sie gehen achtlos an mir vorbei.
»Schon wieder kein Wasser, verfluchte Scheiße!« meint der eine. »Sie haben es abgedreht, weil irgendwo ein Leck in der Leitung ist.«
»Nicht einmal duschen kann man sich! Wie die Stinktiere müssen wir uns jedesmal davonschleichen«, fällt der zweite ein.
Ich überschreite die Türschwelle in dem Augenblick, als Kalojirou gerade spottet: »Daß ich nicht lache! Wo wollt ihr denn so geschwitzt haben, daß ihr euch unbedingt frisch machen müßt? Ach schert euch doch zum –«
Er erblickt mich und läßt seinen Satz unvollendet. Er wirkt wie ein beleibter Ringer, der seine Karriere an den Nagel gehängt und nun Fett angesetzt hat. Er muß in meinem Alter sein, trägt einen dunklen Anzug und ein aufgeknöpftes Hemd ohne Krawatte.
»Was wollen Sie denn hier?« bellt er.
»Kommissar Charitos. Ich würde gern Herrn Kalojirou sprechen.« Ich stelle mich ahnungslos, um den Eindruck zu erwecken, ich sei gerade eingetroffen.
»Der steht vor Ihnen.«
»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen über Christos Petroulias stellen.« Sarafoglou
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