Nachtflügel
Dieser spezielle Geruch war ihm nicht vertraut, doch gemessen an seiner Stärke musste er noch ziemlich frisch sein. Er ließ sich vom Ast fallen, flatterte tiefer und ziemlich schnell entdeckte er es: ein Haufen länglicher, gräulicher Kotknollen am Fuß des Baums. Ihre beträchtliche Größe erschreckte ihn. Die hatte kein kleines Tier hinterlassen.
Auf der einen Seite neben dem Kothaufen sah er das Gerippe eines Grundlings liegen, das nahezu sauber bis auf die Knochen abgenagt war. Ängstlich blickte Dämmer sich nach allen Seiten um, konnte aber keine Anzeichen des Raubtiers entdecken.
Er stieg in die Luft auf und flog zurück, um seinem Vater zu berichten, was er gesehen hatte.
»Kennst du hier in der Gegend ein großes Raubtier?«, fragte Ikaron Adapis. »Mein Sohn hat einen Kothaufen gesehen.«
Dämmer beobachtet Adapis, um seine Reaktion zu sehen. Der war aufmerksam, blieb jedoch ruhig.
»Wie hat er ausgesehen?«, fragte er Dämmer.
Dämmer beschrieb ihn, so gut er konnte.
»Du musst ziemlich weit von unseren Bäumen weggewesen sein«, bemerkte Adapis dann.
Dämmer nickte. Er war geflogen, und da war es schwer, Entfernungen abzuschätzen.
»Wir bleiben aus gutem Grund in unserem Teil des Walds«, sagte Adapis entschieden, aber nicht unfreundlich. »Tiefer im Wald gibt es große Tiere. Einige von ihnen sind Fleischfresser, doch aus irgendeinem Grund haben sie sich nie auf unser Gebiet gewagt. Streife beim nächsten Mal nicht so weit herum.«
»Mache ich«, sagte Dämmer.
Adapis wandte sich Ikaron zu. »Hast du schon einmal diese Frucht gegessen?«, fragt er und streckte ihm mit der einen Hand eine Beere hin. Für Dämmer war es immer noch faszinierend, wie einfach die Baumrenner etwas greifen konnten. Er kam sich dann immer so ungeschickt vor.
Adapis legte die Beere vor sich auf die Rinde, und Dämmers Vater senkte den Kopf, um davon zu probieren.
»Versuch mal, Dämmer«, forderte ihn sein Vater auf.
Dämmer hatte diese violetten Beeren im ganzen Wald an kräftigen Schlingpflanzen hängen sehen. Chiropter aßen nicht viele Früchte, aber diese Beere war saftig, süß und löschte seinen Durst. Er nahm noch einen zweiten kleinen Bissen.
»Das schmeckt aber gut!«, sagte er begeistert.
Adapis lachte leise. »Vielleicht wollt ihr das in euren Speiseplan aufnehmen?« Begeistert fügte er hinzu: »Wir bereiten euch ein Festmahl! Dann können wir euch ein paar neue Speisen vorstellen. Bestimmt können wir uns gegenseitig eine Menge beibringen.«
»Wir sind zu viele, Adapis«, sagte Ikaron. »Dein Angebot ist sehr freundlich, doch das würde zu viel Arbeit bereiten.«
»Überhaupt nicht, überhaupt nicht!«, meinte Adapis nachdrücklich. »Lass uns das ruhig für euch machen. Zu eurer Begrüßung. Vielleicht können wir euch so davon überzeugen, dass ihr unseren Wald zu eurer neuen Heimat macht. Wir wären glücklich, euch als Freunde und Verbündete zu haben. Die Welt ist groß und es ist mehr als genug für uns alle da.«
Den ganzen Tag und den nächsten waren die Baumrenner eifrig damit beschäftigt, Früchte und Samen von den Bäumen und Maden und Wurzeln aus dem Waldboden zusammenzutragen. Dämmer sah ihnen fasziniert bei der Arbeit zu. Sie brachten das ganze Essen zu dem Festmahlbaum, wie sie ihn nannten, der ein ganzes Stück von ihren Wohnbäumen entfernt stand. Die vielen niederen Äste des Baumes waren flach und breit, und darauf legten die Baumrenner ihre Speisen in langen Reihen aus. Neugeborene Baumrenner schlichen sich immer wieder mit hungrigen Augen an, wurden aber von den Erwachsenen regelmäßig verscheucht.
»Müssen wir das alles essen?«, fragte Sylph, die neben Dämmer glitt.
»Das meiste davon hab ich noch nie gesehen«, sagte Dämmer. »Aber siehst du die violetten Beeren da drüben? Ich hab gestern eine probiert und die schmeckte richtig gut!«
Sylph grunzte wenig überzeugt.
»Fresst nicht so viele Käfer«, rief einer der Renner ihnen zu. »Hebt euren Hunger lieber für das Festmahl heute Abend auf!«
»Und was ist, wenn wir dieses Essen nicht mögen?«, fragte Sylph.
Im Vorbeigleiten hatte Nova das mitbekommen. »Sei still!«, erwiderte sie scharf. »Wir müssen das essen. Wir dürfen unsere Gastgeber nicht beleidigen. Das hier ist ein Zeichen von großer Gastfreundschaft, wie ich sie noch nie erlebt habe. Nachdem wir von unserer eigenen Art abgewiesen worden sind, bieten uns diese Fremden ein neues Zuhause an.«
Spät am Nachmittag waren die Baumrenner mit
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