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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Gesicht.
    »Südwind«, sprach Nova ihn direkt an, »ich bin hier geboren worden, ich kenne diese Landschaft und die, die hier leben und jagen. Ich möchte dir nichts wegnehmen, ich bitte dich nur um die Erlaubnis, die Kolonie zu einem neuen Zuhause führen zu dürfen. Und danach wird dir die Führerschaft zurückgegeben, auf die du ein Anrecht hast. Wirst du das erlauben? Ich ersuche dich hiermit ganz bescheiden um deine Genehmigung.«
    Sie hatte mit einer solchen Aufrichtigkeit und Achtung gesprochen, dass Dämmer völlig durcheinander war. Meinte Nova wirklich das, was sie sagte? Konnte Südwind überhaupt Nein sagen?
    »Nova hat recht«, sagte Sylph plötzlich. »Sie soll uns fürs Erste führen.«
    »Es steht dir nicht zu, das zu entscheiden, Neugeborene!«, sagte Südwind scharf. »Barat, Sol, was ratet ihr?«
    Sol seufzte. »Du wirst ein guter Anführer sein, Südwind. Doch jetzt wäre ein gefahrvoller Zeitpunkt, damit zu beginnen. Wenn du zustimmst, dass Nova uns vorübergehend anführt, werden Barat und ich gewährleisten, dass sie die Macht übergibt, sobald wir uns in Sicherheit befinden.«
    »Barat?«, fragte Südwind.
    »Mein Rat ist, dass wir uns an einen Ältesten halten. Nova ist stark und fähig. Ich traue ihr zu, uns gut durch schwierige Zeiten zu führen und dann zu ihrem Versprechen zu stehen.«
    Dämmers Gedanken lagen im Widerstreit. Sein Blut drängte danach, dass sich sein Bruder weigerte und die Führung übernahm, doch auch er hatte große Angst, und sein Verstand sagte, dass sie jetzt einen erfahrenen Anführer brauchten. Wie sehr er sich wünschte, sein Vater wäre noch am Leben!
    »Dann bin ich einverstanden«, sagte Südwind. »Nova, ich erteile dir hiermit die Erlaubnis, uns zu führen.«
    »Ich danke dir«, sagte Nova. »Ich werde uns alle sicher in ein neues Zuhause bringen.«
    Dämmer konnte die Erleichterung der versammelten Chiropter spüren. Sie waren beruhigt, einen neuen Anführer zu haben, auch dann, wenn dieser seinem Vater gegenüber feindselig eingestellt gewesen war. Dämmer konnte Nova nicht ansehen, als sie sich an die Kolonie wandte – die Kolonie seines Vaters.
    »Wir haben gelernt, dass wir anderen Lebewesen nicht trauen können«, sagte Nova. »Wir wurden von falscher Freundlichkeit eingelullt. Wir dürfen uns jetzt nur noch auf uns selbst verlassen. Wir haben viele verloren, doch wir sind noch immer zahlreich genug, um eine neue und große Kolonie zu schaffen, sobald wir unser Zuhause gefunden haben. Und ich verspreche euch allen, dass das schon bald sein wird.«
    Als die Ältesten gingen, um mit ihren Familien zu sprechen, blieb Südwind mit Sylph und Dämmer zurück.
    »Ich wünschte, ihr hättet mich geweckt«, sagte er.
    »Dafür war keine Zeit«, sagte Dämmer. »Papa wollte nicht stehen bleiben und wir wollten ihn in der Dunkelheit nicht verlieren.«
    »Ich würde mich freuen, wenn ihr beide jetzt bei meiner Familie schlafen würdet«, sagt Südwind. »Wollt ihr das?«
    Dämmer blickte Sylph an und dann nickten beide gleichzeitig. »Vielen Dank«, sagt Dämmer.
    »Ihr beide seid sehr tapfer«, sagte Südwind. »Könnt ihr mir jetzt zeigen, wo unser Vater liegt? Ich möchte ihn noch ein letztes Mal sehen, ehe wir weiterziehen.«
    Unter den staunenden Blicken von Reißzahn und Panthera brachten Danian und sein Rudel einen mit großen Eckhauern ausgestatteten Wurzelfresser zur Strecke, der annähernd doppelt so groß war wie sie. Die sechs Hyaenodonten arbeiteten zusammen, einer sprang dem Wurzelfresser auf den Rücken, während andere von beiden Seiten angriffen, von unten an seinem weichen Bauch rissen und ihm ihre Zähne in den Hals schlugen.
    Das Blut pochte Reißzahn in den Schläfen, als wäre er selbst an der Jagd beteiligt. Und Panthera war eingehüllt in den Geruch ihrer blutrünstigen Erregung.
    Nun waren sie schon zwei Tage und Nächte mit Danians Rudel nordwärts gezogen. Die anderen Feliden waren im Tal zurückgeblieben und warteten auf Reißzahns Rückkehr. Das Tempo, das die Hyaenodonten einschlugen, war anstrengend, doch Reißzahn ließ sich nicht zurückfallen, denn er wollte nicht als schwach erscheinen. Obwohl er sich ständig der Gegenwart seiner brutalen Begleiter bewusst war, war er dennoch seltsam zufrieden. Panthera war wieder an seiner Seite, als sie zu einer Saurierjagd aufbrachen. Das war etwas, von dem er gedachte hatte, dass es nie wieder vorkommen würde.
    Wo immer sie auftauchten, verbreiteten die Hyaenodonten eine Welle von Panik.

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