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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Kopf und Bauch bis auf den Boden, schlich herum und schnüffelte nach dem Geruch der Beute. »Ja«, sagte er dann, »die Equidenwitterung ist weg. Aber es ist eine andere da, die ich gut kenne. Chiropter.«
    »Hier? Die sind doch keine Grundlinge«, sagte das Hyaenodon.
    »Es müssen viele gewesen sein«, sagte der zweite Felid. »Ich kann noch immer ihre Angst riechen.«
    »Panthera hat recht«, sagte Reißzahn. »Eine ganze Kolonie ist anscheinend gerade dabei, das Grasland zu Fuß zu durchqueren.«
    Ohne Vorwarnung spähte Reißzahn in den Himmel und Dämmer flatterte rückwärts und steil nach oben in die Nacht. Er hoffte inständig, dass Reißzahn ihn nicht gesehen hatte. Er richtete seinen Flug aus, wendete scharf und flatterte mit aller Kraft zu seiner Kolonie zurück.
    Einen schrecklichen Moment lang wusste er nicht, wo er sich befand, denn die Ebene wirkte bei Dunkelheit so gleichförmig, doch dann orientierte er sich an den Umrissen der einzeln stehenden Bäume. Zweimal strich er im Tiefflug über sie hinweg, bis er die dunklen Umrisse der Chiropter im Gras ausmachen konnte. Er landete bei der Vorhut.
    »Schaffen wir es rechtzeitig bis zum Giftholzbaum?«, fragte Südwind, nachdem Dämmer ihm berichtet hatte.
    »Der würde unsere Sicherheit nicht garantieren«, bemerkte Sol, der nach vorne gekommen war. »Hyaenodonten sind vielleicht nicht in der Lage zu klettern, wohl aber die Feliden.«
    »Wir können ihn sowieso nicht rechtzeitig erreichen«, sagte Dämmer leise. Wenn sie der Geruchsspur folgten, würden die Feliden sie bald einholen. »Aber ich habe da vorne einen umgestürzten Baum gesehen. Es ist nicht weit und er ist groß. Da können wir uns verstecken, bis sie vorbei sind.«
    Dämmer wartete auf Südwinds Antwort. Er konnte eines der Neugeborenen quieken und wimmern hören. Selbst Sylph sah besorgt aus. Das war es, was sie am meisten befürchtet hatten, im offenen Gelände entdeckt zu werden.
    »Wenn sie unseren Geruch aufgenommen haben und fressen wollen, sind sie gleich da«, sagte Südwind. »Dann sitzen wir in der Falle.«
    »Ich sehe keine andere Möglichkeit«, sagte Sol.
    »Kannst du uns dorthinbringen, Dämmer?«, fragte Südwind.
    Dämmer hatte die Lage des umgestürzten Baums noch im Kopf und führte sie darauf zu. Noch nie hatten sie sich schneller bewegt. Das Gras wurde dünner und plötzlich zeichnete sich die dunkle Masse des Stamms vor ihnen ab. Sie näherten sich dem ausgezackten Ende.
    Sylph zog die Nase kraus. »Was ist das für ein Gestank?«
    »Kot«, sagte Südwind.
    »Diatrymakot«, flüsterte Dämmer, der sich an den Geruch im Wald der Baumrenner erinnerte. Er flog sofort los und umkreiste den umgestürzten Baum. Eine nistende Diatryma konnte er nicht sehen. Der Kot war wohl im Vorbeigehen hiergelassen worden. Er kehrte zu den anderen zurück.
    »Entwarnung«, sagte er.
    »Wir haben Glück«, sagte Sol. »Der Kot wird unseren Geruch überlagern.«
    »Und sie vielleicht abschrecken«, fügte Südwind hinzu.
    Dämmer nickte hoffnungsvoll. »Wo sollen wir uns verstecken?« Es war eigenartig, einen liegenden Baum zu sehen. Einige seiner Äste ragten in die Luft, andere lagen flach am Boden, ohne Blätter und abgeknickt.
    »Wie wäre es im Inneren?«, fragte Sylph. »Das sieht ziemlich groß aus.«
    Dämmer eilte zu ihr ans Ende des abgesplitterten Stamms. In das harte, frei liegende Holz des Stamms hatten Insekten zahllose Löcher gebohrt, doch es gab auch eine größere Öffnung, durch die sich ein Chiropter quetschen konnte. Dämmer krabbelte näher und sang Klang hinein. Es dauerte einen Augenblick, bis das Echo zu ihm zurückkam. In seinem Kopf flammte das Bild eines tiefen, höhlenartigen Raums auf.
    »Da passen wir alle rein«, sagte er zu Südwind.
    Er wusste, dass ihnen nicht viel Zeit blieb, bis die Hyaenodonten und Feliden sie eingeholt hatten. Südwind bestand darauf, als Erster zu gehen. Nacheinander quetschten sich die übrigen Chiropter durch die Öffnung. Dämmer war noch nie im Innern eines Baumstamms gewesen und fand den feuchten Duft des Holzes ziemlich überwältigend. Es war dort überraschend geräumig und nicht völlig dunkel. Durch die Rinde fiel blasses Licht schräg durch kleine Ritzen und von Insekten gebohrte Löcher.
    Mit Echosicht untersuchte Dämmer nun ihr Versteck genauer. Durch Vermodern und eine fleißige Armee von Insekten war eine Höhle entstanden, die einem Bienenstock ähnelte. Von oben hingen dicke Stränge uralter Spinnweben herab,

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