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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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überall wimmelte es von Insekten, und Dämmer hörte, wie viele Chiropter hungrig ihr Jagdschnalzen losschickten.
    »Noch nicht«, sagte Südwind leise zu ihnen. »Wenn die Gefahr vorbei ist, können wir essen. Wir müssen uns jetzt ganz still verhalten.«
    Dämmer ließ sich neben Sylph nieder und war froh über die Möglichkeit, sich auszuruhen. Sol hatte sich neben dem Eingang platziert und spähte in die Nacht hinaus. Dann drehte er sich um und schüttelte den Kopf. Noch nichts.
    »Siehst du das Loch dort?«, flüsterte Sylph Dämmer zu.
    »Wo?« Dämmers Fell prickelte. Er hatte gedacht, alle Eingänge abgeklärt zu haben.
    Sylph zeigte ihm das Loch und er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Es war im Boden, ging durch die Rinde und führte direkt hinunter in die Erde. Und es war viel zu eng für einen Feliden, selbst für einen Chiropter.
    »Wo führt das hin?«, fragte Sylph beunruhigt.
    Er sprühte Klang hinein. Der Gang verlief ziemlich weit nach unten, bevor er aufhörte oder scharf nach einer Seite abbog, was er nicht sicher erkennen konnte.
    Da unten konnte er nichts wahrnehmen. Doch als er schnüffelte, fing er den schwachen Duft eines Tiers auf, vermischt mit dem scharfen Geruch von Rinde und Erde.
    »Mal gucken, ob es da noch mehr gibt«, flüsterte er Sylph zu.
    Unbeholfen krabbelte er über den ausgezackten Boden und fand ein weiteres Loch, dann ein drittes, tief in die Erde gebohrt.
    »Vier«, sagte Sylph, als sie wieder zusammenkamen. »Eines riecht ziemlich schlecht.«
    Sie fanden Südwind zwischen den Chiroptern.
    »Ich glaube, dass unter dem Baum etwas seinen Bau hat«, sagte Dämmer ihm.
    »Pssst …!«, zischte Sol von Eingang her und zog sich nach innen zurück. »Sie kommen.«
    In dem hohlen Baumstamm wurde es still, als sich alle Chiropter an das abgestorbene Holz drückten. Dämmers Herz schlug rasend schnell.
    Jenseits der Wände des Baums hörte er Fußstapfen und dann plötzlich eine gutturale Stimme: »Du hast uns zu Vogelscheiße geführt.«
    »Nein«, kam ein glattes Knurren. »Ich bin dem Geruch der Chiropter gefolgt.«
    »Und wo sind sie dann?« Dieselbe grobe Stimme.
    Etwas rumste auf die Rinde über ihnen und Dämmer zuckte zusammen. Eines der Neugeborenen wimmerte und wurde von seiner Mutter an sich gezogen, um sein Weinen zu ersticken. Das Hyaenodon war wohl auf den Baumstamm gesprungen, wo es nun ungeduldig hin- und herstapfte. Dämmer hoffte, dass das Holz dick genug war.
    »Ich habe ihre Spur verloren.«
    Das war die weichere Stimme von Reißzahn. Dämmer hörte ihn bei dem Versuch niesen, seine Nase von dem überwältigenden Gestank der Diatrymafäkalie zu befreien.
    Haut doch ab , dachte Dämmer. Haut ab .
    Er suchte mit Sylph Blickkontakt aufzunehmen. Doch sie starrte wie gebannt auf etwas und dann sah er es auch. Aus einem der kleinen Löcher im Boden ragte ein Kopf hervor. Er verlief keilförmig auf eine spitze Nase zu. Kleine halbrunde Ohren lagen eng am Schädel an. Auf der Schnauze befanden sich gezackte graue und schwarze Fellstreifen und die ovalen Augen waren riesig. Das Wesen kam etwas weiter aus seinem Loch hervor.
    Dämmer schaute es völlig verblüfft an. Das Tier war zwar nur halb so groß, doch es glich geradezu unheimlich einem Chiropter. Ihm fehlten lediglich die Segel zwischen Armen und Beinen. Das zierliche Tier war sichtlich erschreckt, denn die Haare auf Kopf und Nacken waren gesträubt. Dann verschwand es wieder in seinem Loch, als wäre es von unten gezogen worden.
    »Das ist nur ein Soricid«, flüsterte Sol neben ihm. »Scheue, kleine Dinger. Wahrscheinlich zu Tode erschreckt.«
    Aus dem Loch drang mehrfach aufgeschrecktes Quietschen zu ihnen hoch.
    Dämmer sah besorgt nach oben. Ob die Hyaenodonten und Feliden das gehört hatten?
    »Ganz ruhig«, flüsterte Sylph, die sich über das Loch gebeugt hatte. »Wir tun euch nichts.«
    Noch mehr schrilles Piepsen und Quietschen drangen herauf, aber nicht nur aus dem einen Loch, sondern auch aus allen anderen.
    »Dumme, kleine Dinger«, murmelte Sylph.
    »Sie müssen da unten ihr Nest haben«, sagte Sol. »Sie glauben, wir wollen eindringen.«
    Unvermittelt verstummten die Fußtritte über ihnen. Dämmer konnte die Stimmen der Hyaenodonten oder die von Reißzahn nicht mehr hören. Waren sie endlich weitergezogen, oder waren sie immer noch da draußen, nur wenige Flügelschläge entfernt, und lauschten?
    Wieder streckte der Soricid seinen kleinen, spitzen Kopf heraus und blickte sich um. Zu

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