Nachtflügel
entspannten, sich verkrampften und dann wieder entspannten. Er wandte den Kopf und sah einen Soriciden mit aufgerissenem Maul und glitzernd roten Zähnen auf sich zukrabbeln.
Mit ungeheurer Anstrengung rollte er sich auf den Bauch, erhob sich auf die Hinterbeine und schlug mit den Flügeln. Er jagte Luft und Staub über den Soriciden, schlug weiter mit den Flügeln und hob ab. Innerhalb des Baums war nicht viel Raum zum Fliegen. Er dümpelte zwischen Decke und Boden hin und her, als er versuchte, den Soriciden auszuweichen. Die meisten von ihnen waren auf das bezwungene Hyaenodon versessen, andere waren damit beschäftigt, von den anderen gelähmten Chiroptern zu fressen.
»Dämmer!«
Sylph hing an der Wand über ihm und er flog zu ihr.
»Ich bin gebissen worden«, sagte er entschuldigend.
»Das hab ich gemerkt. Komm mit.«
An der ausgezackten Wand entlang kletterten sie zum Ausgang am Stammende. Dämmer konnte gerade noch sehen, wie sich der letzte Chiropter ins Freie zwängte. Doch vom Boden näherte sich ihnen schon wieder ein Schwarm von Soriciden.
Dämmer flatterte mit aller Macht, aber er und Sylph waren nicht schnell genug. Einer der Anführer der Soriciden kletterte gewandt nach oben und versperrte ihnen den nahen Ausgang. Dämmer stürzte sich auf ihn. Während er dem um sich spuckenden Maul auswich, klammerte er seine hinteren Krallen um den Schwanz des Tiers und schlug hart mit den Flügeln. Der Soricid war überraschend leicht, und Dämmer zog ihm vom Holz weg, trug ihn ganz nach oben, ehe er ihn abwarf.
Der Ausgang war frei.
»Geh schon!«, rief er seiner Schwester zu.
Sie zögerte. »Was ist mit den Hyaenodonten und den Feliden?«
»Jetzt geh schon!«, schrie er.
Sie stürzte sich durch das Loch hinaus in die Nacht.
Die Soriciden stürmten los, um Dämmer den Weg abzuschneiden, doch er warf sich auf das Loch, zog die Flügel eng an den Körper und zwängte sich wie wild hindurch. Kein Maul schnappte auf der anderen Seite nach ihm. Dann war er draußen und folgte Sylph, die auf der Suche nach einem Versteck in den Schatten des umgestürzten Baums kroch.
Kapitel 22
Allein im Grasland
I m feuchten Gewirr aus abgestorbenen Zweigen drängten sich Sylph und Dämmer aneinander. Von der anderen Seite des umgestürzten Baums war das Bellen der Hyaenodonten zu hören, ab und zu unterbrochen vom Knurren der Feliden.
»Wo sind denn alle die anderen?«, flüsterte Sylph.
»Die verstecken sich wie wir«, sagte Dämmer. Jedenfalls hoffte er das.
»Flieg hoch und sieh nach.«
»Meinst du wirklich?« Er wollte sie nicht alleine lassen.
»Mach einfach schnell. Sieh nach, was los ist.«
Er verließ ihr Versteck und flog auf. Sanft streichelte die Nachtluft über sein Fell. Er wollte schnell sein, doch das Gift der Soriciden hatte sich noch nicht ganz aus seinem Körper verflüchtigt, sodass seine Flügelschläge noch recht schwerfällig waren. Er kreiste über dem umgestürzten Baum.
Das gelähmte Hyaenodon, dessen Kopf im Inneren des Baumstamms steckte, war völlig von Soriciden bedeckt, die eifrig damit beschäftigt waren, Fell und Fleisch abzureißen. Ein zweites schleppte sich von dem Baum fort und eine große, geduldige Gruppe der winzigen Raubtiere folgte ihm in vorsichtigem Abstand. Jeder Schritt, den das Hyaenodon machte, war langsamer als der vorhergehende, bis es schließlich gelähmt auf den Boden sackte. Trotz der wütend bellenden Hyaenodonten in der Nähe stürmten nun die Soriciden auf ihre gefallene Beute zu. Reißzahn und der andere Felid hielten sich zurück. Doch hinter ihnen quollen weitere winzige Soriciden aus verborgenen Löchern am Boden heraus.
Während er seine Kreise zog, erblickte Dämmer einige kleine Gruppen von Chiroptern, die sich in die verschiedensten Richtungen durch das hohe Gras bewegten. Südwind war vielleicht auch dabei, doch er war sich nicht sicher. Es herrschte das totale Chaos. Wie sollten sie sich jemals wiederfinden? Er fühlte sich so hilflos, als er zusehen musste, wie sie im leichten Nebel verschwanden, denn er wagte es nicht zu rufen und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass sie entkommen waren.
Er flog zu Sylph zurück.
»Hier lang«, flüsterte er und führte sie vom Baum weg.
»Wo sind die anderen?«
»In der ganzen Gegend verstreut«, murmelte er ohne anzuhalten. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, er wollte nur weiter, fort von all den Raubtieren hier. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Hyaenodonten und Feliden sich in das
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