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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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erreichen?«
    »Wir müssen mehr Nahrung für uns finden. Bessere Nahrung.«
    »Und wo finden wir solche Nahrung?«
    Reißzahn wurde noch leiser. »Ich muss mich doch nur in diesem Wald hier umsehen.«
    »Du schlägst also vor, wir sollen andere Tiere fressen?«, rief Patriofelis entsetzt.
    Reißzahn schluckte. Zum Umkehren war es nun zu spät. »Lass uns die Jäger sein, nicht die Gejagten.«
    »Und was ist mit dem Pakt?«
    »Der Pakt ist vollendet. Die Arbeit ist getan. Das ist nun eine neue Welt.«
    »Alle Tiere waren unsere Verbündeten gegen die Saurier.«
    Reißzahn rümpfte die Nase. »Sehr viel habe ich von denen nicht gesehen. Bestenfalls waren sie schwache Verbündete. Wer hat denn mehr getan als wir? Die Feliden waren diejenigen, die die Welt sicher für die anderen gemacht haben.«
    »Feliden ernähren sich nicht von anderen Tieren!«, stieß Patriofelis wütend hervor.
    »Wir alle haben Fleisch gegessen«, erinnerte ihn Reißzahn.
    »Nur von den Tieren, die bereits tot waren. Wir mögen vielleicht Aas fressen, gut. Wir haben vielleicht Unrat beseitigt. Aber wir haben niemals lebendige Beute gejagt. Das liegt nicht in unserer Natur.«
    »Die Welt hat sich verändert und wir müssen uns mit ihr verändern.«
    »Wir sind keine Fleischfresser.«
    »Ich bin einer«, sagte Reißzahn.
    »Unsere Zähne schneiden nicht«, sagte Patriofelis streng.
    »Meine schon!« Als er das sagte, konnte er das saftige, dunkle Fleisch und Blut der Saurier in seinem Mund geradezu schmecken. Speichel tropfte über seine Zähne.
    Voller Empörung hatte sich Patriofelis auf alle viere erhoben. Seine Pupillen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
    »Der Pakt hat unsere Jagdinstinkte verfeinert«, sagte Reißzahn und senkte seinen Kopf ehrerbietig vor seinem Anführer. »Viele der Tiere haben die Eier gefressen, zumindest aber das Dotter, um Kraft zu bekommen, und einige von uns haben mit Sicherheit Geschmack am Fleisch der neugeborenen Saurier entwickelt. Einige von uns sehnen sich nach mehr.«
    »Ich verbiete das.« Patriofelis’ Stimme überschlug sich fast vor Zorn. Reißzahn spürte, wie ihn alle Kraft verließ.
    »Wenn du diese Gelüste hast«, sagte Patriofelis, »dann musst du das ändern.«
    Reißzahn versuchte es, doch mit jedem Tag wuchs sein Unmut mehr. Sein Verlangen war nichts Unrechtes, es war ihm gegeben worden. Er bewegte sich durch den Wald, und wenn er eigentlich nach Maden, Insekten und Früchten hätte suchen sollen, schweifte sein Blick zu den anderen Tieren.
    Gerne hätte er sich Panthera anvertraut. Wenn sie seine Gefährtin werden sollte, müsste sie von seinen Begierden wissen und sie sogar teilen. Doch er hatte zu große Angst, dass sie ihn ebenso verdammen würde wie Patriofelis. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sie ihn jedes Mal angeschaut hatte, wenn er die Schlüpflinge verschlang.
    Er sah die Chiropter von Stamm zu Stamm gleiten und ein Coryphodon auf dem Boden, das mit seinen stämmigen Gliedmaßen nach Wurzeln und Knollen grub und wühlte. Ein spitzschnäuziger Ptilodont flitzte von einem Baumstamm auf den Boden und vertilgte Samen. Ab und zu hatte er sie alle auch nach Sauriereiern jagen gesehen, doch was sie getan hatten, verblasste vor den Leistungen der Feliden. Die Chiropter, hielt er sich vor Augen, waren praktisch nutzlos mit ihren Segeln, die es ihnen erschwerten, schnell und unauffällig über den Boden zu den Nestern zu kriechen.
    Die anderen Tiere nahmen Reißzahn kaum wahr. Er war ein Waldbewohner wie sie auch und sie mussten keine Angst vor ihm haben.
    Es wäre so einfach. Er pirschte die Äste entlang und folgte einem Paramus mit buschigem Schwanz, der durch das Laub auf dem Waldboden raschelte. Reißzahns geschmeidige Pfoten tappten ganz leise, und er drosselte den Atem, sodass sogar er selbst sich nicht mehr hören konnte. Er beobachtete. Er wurde zu einem stillen Teil des Waldes. Der Paramus war damit beschäftigt, mit dem Rücken zu Reißzahn ein paar Samen zu fressen, die er gefunden hatte.
    Plötzlich fühlte sich Reißzahn fast krank vor Zweifeln. Noch nie hatte er sich sein eigenes Fressen erjagt. Er zwang sich, die Augen zu schließen.
    Geh weg , beschwor er in Gedanken den Paramus. Wenn ich die Augen aufmache, sei fort. Dann bin ich nicht in Versuchung .
    Ganz langsam atmete er zehnmal ein und aus, dann öffnete er die Augen. Der Paramus war noch da und stöberte herum. Ahnungslos.
    Speichel überzog seine Zähne. Reißzahn versuchte, auf dem Ast umzudrehen, doch seine

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