Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
seiner Welt ganz weit aufgerissen.
     

Kapitel 5
Die Meute
    V on der Hügelkuppe aus sah Reißzahn die vertrauten Umrisse seines Waldes. Seine Schritte wurden größer und Panthera an seiner Seite hielt das Tempo mit. Die Hitze des Tages hatte ihren Höhepunkt erreicht, doch er war ungeduldig, nach so vielen Tagen auf Streifzug wieder nach Hause zu kommen. Von Schweiß und Staub war sein Fell stumpf geworden und sein Atem ging stoßweise.
    Als er unter das dichte Dach der Bäume und Farne trat, überkamen ihn eine große Erleichterung und ein Wohlbehagen. Das Licht, vom hohen Blätterdach gefiltert, wurde sanfter. Seine Pupillen weiteten sich. Sein Fell kühlte sich ab, und er atmete tief ein, um die geliebten Gerüche des Waldes aufzunehmen.
    Zusammen mit Panthera folgte er den Duftspuren, die sein Rudel auf dem Waldboden angelegt hatte. Überall um sich herum nahm er andere Feliden wahr, die von ihrem Mittagsschlaf erwachten oder sich zusammengerollt auf dem Boden oder in den unteren Ästen putzten. Reißzahn spürte, wie ihm Blicke folgten, und dann hörte er, wie sein Name geflüstert wurde, erst leise wie ein Windhauch, dann immer lauter, als viele Feliden in den Ruf einstimmten.
    »Reißzahn … Das ist Reißzahn … Reißzahn ist zurück!«
    Viele Jägerpaare der Feliden waren zu dieser Jagd aufgebrochen, und er und Panthera waren zu dem am weitesten entfernten Gebiet geschickt worden. Sie waren einen vollen Monat unterwegs gewesen, und er war sich ziemlich sicher, dass sie die Letzten waren, die zurückkehrten. Als sie sich dem Giftholzbaum, ihrem Zentrum, näherten, begleiteten sie bereits Hunderte von Feliden in den Bäumen oder auf dem Boden. Reißzahn konnte riechen, wie erwartungsvoll sie waren. Am Fuß des Giftholzbaums hielt er an und blickte hinauf in seine Äste. Von diesen Bäumen gab es viele im Wald, und sie waren lange die Lieblingsbäume der Feliden gewesen, denn allein durch den Kontakt mit ihren Blättern bekamen viele Tiere sofort einen Ausschlag, der sie fast wahnsinnig machte, auch die Saurier. Doch die Feliden waren dagegen unempfindlich, und so waren diese Bäume ein sicheres Rückzugsgebiet für sie.
    Patriofelis, der Anführer der Meute, kam auf seinen alten Beinen leicht hinkend über den längsten Ast herausgelaufen. Sein blassbraunes Fell war grau durchsetzt.
    »Reißzahn! Und Panthera! Willkommen zu Hause!«
    Er sprang einigermaßen geschickt auf den Boden und beschnüffelte die beiden liebevoll zur Begrüßung.
    »Ihr seid die Letzten, die zurückkommen«, sagte Patriofelis. »Einige haben sich schon Sorgen gemacht, ich aber nicht. Nichts kann unseren beiden besten Jägern etwas anhaben.«
    »Und die anderen?«, fragte Reißzahn eifrig. »Was haben die gefunden?«
    »Nichts. Nicht ein einziges Nest. Und ihr?«
    »Ein einziges Quetzalnest mit zwei Eiern. Von einer Mutter oder einem Vater gab es keine Spur. Ich glaube, sie sind tot. Die Eier haben wir zerstört.«
    »Dann waren das die letzten Eier«, sage Patriofelis mit rauer Stimme. »Reißzahn und Panthera haben das letzte Nest zerstört!« Er machte einen Buckel, riss das Maul weit auf, sodass das schwarze Zahnfleisch und die noch immer scharfen Zähne zu sehen waren, und schrie seinen Jubel zum Himmel. Der Schrei wurde von der ganzen Meute aufgenommen, von Tausenden anderer Feliden.
    Schnell kletterte Patriofelis hinauf auf den unteren Ast des Giftholzbaums, und das verzückte Geschrei der Meute verebbte, als der Anführer anfing zu sprechen.
    »Vor drei Tagen haben wir Berichte von anderen Königreichen der Tiere erhalten. Von den Prodromiden, den Parmieren, den Chiroptern und einem Dutzend weiterer. Keine ihrer Jagdgruppen hat seit mehr als einem Monat ein Nest gefunden. Dies kann nur eines bedeuten: Wir haben gesiegt! Der Pakt war erfolgreich.«
    Weitere Beifallsrufe stiegen von der Meute auf.
    »Ohne unsere tapferen Jäger wäre das nicht möglich gewesen«, sagte Patriofelis. »Alle Tiere haben schwer gearbeitet, doch keine härter und länger als die Feliden. Ich werde Boten zu den andern Königreichen entsenden, die von dem glorreichen und endgültigen Sieg Reißzahns und Pantheras berichten sollen. Der Kampf ist gewonnen. Die Saurier sind fort und wir haben die Erde geerbt!«
    Reißzahn empfand die Hitze und den Geruch des Lobs der Meute wie einen berauschenden Duft, der auch ihn aufbrüllen ließ. Er fühlte sich geschmeidig und stark, bereit zu kämpfen und zu fressen.
    Nachdem er sich gründlich gereinigt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher