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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Aufmerksamkeit auf sich, und er fand es nicht besonders schlau, die Geduld der ganzen Kolonie herauszufordern, auch nicht die seiner Eltern. Jibs Stichelei, er könnte ausgestoßen werden, verfolgte ihn immer noch.
    Und trotzdem wollte er mit Sylph gehen. Er bezweifelte zwar, dass sie einen Saurier oder gar ein Nest finden würden, doch er würde die Küste der Insel und den offenen Himmel sehen – und vor allem fliegende Vögel.
    »Ja«, sagte er. »Wir machen das.«
    Es war erstaunlich einfach, sich davonzustehlen.
    Ein paar Minuten lang glitten sie mit einer großen Gruppe von Neugeborenen herum, und dann, als Bruba gerade nicht hinsah, schwenkten sie in den Wald ab. Sie segelten so lange, bis sie sicher waren, von der Lichtung aus nicht mehr gesehen zu werden, und landeten dann atemlos vor Aufregung.
    In der Ferne konnte Dämmer ein paar Chiropter des Suchtrupps ausmachen. Er drehte sich in Richtung des Mammutbaums um und spürte, wie ihm die Kehle seltsam eng wurde. Um zu jagen, verließ er jeden Tag die Geborgenheit des Baums, doch nie besonders lang und mit Sicherheit nicht so weit, dass er ihn nicht mehr sehen konnte. Er blickte auf die Rinde unter seinen Krallen. Sie war weich und blätterte ab, keine Mammutbaumrinde. Er sah, wie auch Sylph zurückblickte, doch wenn sie irgendwelche Bedenken wegen ihres Abenteuers hatte, so äußerte sie sie nicht. Genauso wenig wie er selbst.
    »Komm weiter«, sagte sie.
    Sie segelten los, hinter den anderen Chiroptern her. Plötzlich fiel Dämmer auf, dass er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan hatte, als nur hin und her über die Lichtung zu gleiten. Nun war er zum ersten Mal irgendwohin unterwegs. Er hatte ein Ziel, das außerhalb seiner Blickweite lag.
    Bei jedem Gleiten versuchten er und Sylph, so weit wie möglich zu kommen. Das war schwierig, denn der Wald war dicht und üppig gewachsen. Oft mussten sie abschwenken oder unter einem Ast durchtauchen. Wenn sie so dicht bis hinab zum Boden gesunken waren, wie sie sich trauten, landeten sie und machten sich an die mühsame Kletterei den Stamm hinauf, bis sie einen anderen Absprungplatz fanden. Dämmer war klar, dass er eine lange und anstrengende Reise vor sich hatte.
    »Kannst du ein bisschen schneller klettern?«, fragte Sylph ungeduldig.
    »Nein«, keuchte er, »kann ich nicht.«
    Er verfluchte seine fehlenden Krallen und schwachen Beine. Er blickte sich um und hoffte auf eine Säule aus kräftigem Sonnenlicht, das vielleicht eine Thermik in Gang setzen würde, die ihn nach oben tragen könnte. Doch der Wald war hier viel dunkler und der Himmel durch das Blätterdach der Bäume fast ganz ausgesperrt.
    Sylph wurde langsamer, sodass sie nebeneinander klettern konnten.
    »Es ist einfach nicht zu fassen, dass Mama und Papa Saurierjäger waren«, sagte sie.
    Dämmer nickte zustimmend. Er konnte es selbst kaum glauben. Auch wenn er wusste, dass der Pakt falsch war, erfüllte es ihn doch mit Stolz, sich seinen Vater als tapferen Jäger nach Sauriereiern vorzustellen. Er sah ihn direkt vor sich, wie er in ein Nest kroch, ein Nest, das vielleicht von grimmigen Sauriern bewacht wurde. Möglich, dass sein Vater von den Bäumen aus alles beobachtet hatte, und wenn keiner etwas merkte, geräuschlos nach unten gesegelt war, direkt ins Nest, und die Eier zerstört hatte, ohne je gesehen worden zu sein. Doch aus dem Nest wieder herauszukommen war wohl der gefährlichste Teil. Er konnte ja nicht einfach davongleiten. Man musste rausklettern, über den Boden krabbeln, und das ging nur gefährlich langsam. Sein Vater musste schrecklich klug und mutig gewesen sein.
    »Ich wette, ich wäre darin auch gut gewesen«, sagte Sylph.
    »Da hättest du aber sehr leise sein müssen«, sagte Dämmer gutmütig.
    »Ich kann leise sein, wenn ich will. Aber stell dir mal vor, wenn alles anders gelaufen wäre und wir nie das Festland verlassen hätten. Das wäre so aufregend gewesen.«
    »Und jede Menge Chiropter wären wahrscheinlich dabei umgekommen.«
    »Ich aber nicht«, sagte Sylph. »Ich wäre wie Mama. Und alle fänden mich gerissen und toll. Sogar Papa.«
    Dämmer sagte darauf nichts. Er wollte Sylphs Wunschträume nicht zerstören.
    Sie gingen über einen hohen Ast nach außen und hielten nach einem guten Absprungplatz Ausschau.
    »Oh nein«, sagte Sylph bestürzt. »Wir haben sie jetzt schon verloren.«
    Dämmer spähte in den düsteren Wald und auch er konnte keinen der anderen Chiropter mehr entdecken.
    »Du bist eben zu langsam«,

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