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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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und beißend über den Boden. Gerik war schwerer, stärker und unverwundet, doch seinen Bissen fehlte der Wille zu töten. Reißzahn sah seine Chance und schlug seine Zähne in Geriks linke Flanke, bereit zu reißen. Er spürte, wie sein Gegner zögerte. Reißzahn wollte keinen Felidenkameraden tödlich verwunden, doch er würde es tun, wenn es notwendig wäre. Gerik schien das zu spüren und erschlaffte. Er lag still da und winselte zum Zeichen seiner Unterwerfung. Reißzahn fiel es schwer, das Maul wieder zu öffnen, denn sein Blut pochte und das Verlagen nach Kampf pulsierte durch seine sämtlichen Adern. Schließlich ließ er los, stand auf und blickte auf Gerik nieder, der voller Angst die Augen verdrehte.
    »Steh auf«, sagte Reißzahn. »Geh. Und folge uns nicht.«
    Gerik rappelte sich auf die Beine und führte seine Soldaten die Küste entlang fort. Panthera blieb zurück.
    »Willst du mit uns kommen?«, fragte Reißzahn sie.
    »Ich hab mich immer vor dir gefürchtet«, sagte sie. »Dein Verlangen nach Fleisch, das habe ich zerstörerisch und unnatürlich gefunden.«
    Mit einem Schlag sah er wieder ihren entsetzten Blick vor sich, als sie ihn beim Fressen seiner Beute im alten Wald überrascht hatte.
    »Ich hatte Angst, ich würde selbst eines Morgens mit so einer Begierde aufwachen«, sagte sie.
    »Und bist du das?«
    »Ja.«
    Voller Freude knurrte Reißzahn ganz leise. »Komm mit mir«, bat er sie noch einmal mit klopfendem Herzen.
    Sie kam näher und leckte sein verwundetes Bein.
    »Ja«, sagte sie.
     

Kapitel 16
Baumrenner
    » I st das denn nicht ganz eindeutig?«, fragte das spitznasige Tier aufgebracht. »Hier gibt es einfach nicht genug zu essen für so viele Münder.«
    Dämmer schaute bestürzt zu, als das nervöse Tier seinem Vater und den Ältesten erklärte, dass sie hier nicht ihr Heim einrichten könnten. Als sie bei diesem kleinen Waldflecken angelangt waren, wirkten die Bäume nicht bewohnt. Doch nur kurze Zeit später, nachdem sie sich niedergelassen und die Jagdgründe begutachtet hatten, tauchte wie aus dem Nichts dieser riesige Clan von Alphadonen mit dem falben Fell auf. Sie hüpften durch das Geäst, wobei sie ihre dünnen Schwänze nutzten, um sich von Zweig zu Zweig zu schwingen.
    »Mit Sicherheit kann dieser Wald uns beide aufnehmen«, sagte Sol. »Eure Nahrung besteht vorwiegend aus Früchten und Samen …«
    »… und Insekten«, unterbrach der Alphadon, wobei seine feuchte rosa Nase zuckte, »die ihr reihenweise aus der Luft wegschnappt und keine mehr für uns übrig lasst. Hier wird nicht eingezogen. Das ist unser Gebiet.«
    »Früher waren wir nicht so knauserig untereinander«, bemerkte Ikaron.
    »Schau dich doch um, Chiropter«, sagte der Alphadon, »die Welt ist jetzt stark bevölkert. Wenn du zu essen haben willst, musst du schützen, was dir gehört.«
    »Den würde ich am liebsten in den Schwanz beißen«, flüsterte Sylph Dämmer zu.
    Dämmer wusste nicht, ob er das riskieren würde, in Anbetracht dessen, wie aufgebracht die Alphadone waren. Als sie auftauchten, hielt er sie für sanftmütige Wesen, doch nun fingen sie an, die Chiropter zu bedrängen, hatten die schmalen Mäulchen leicht geöffnet und stießen ein grässliches Zischen aus. Plötzlich prasselten Nüsse und Kiefernzapfen auf sie hernieder, die von Alphadonen oben in den Bäumen heruntergeworfen wurden.
    Dämmer blickte seinen Vater an und sah, wie er resigniert den Kopf schüttelte.
    »Wir setzen wieder Segel«, rief er seiner Kolonie zu und die Luft füllte sich mit Hunderten von gleitenden Chiroptern.
    Es war jetzt drei Tage her, dass sie Gyrokus’ Kolonie verlassen hatten, drei Tage erfolgloser Suche nach einem neuen Zuhause. Nicht alle Tiere, denen sie begegneten, waren so unfreundlich wie die Alphadone, doch die Botschaft war immer die gleiche: Sie waren unerwünscht.
    Dämmer glitt neben Sylph. Er wünschte, er könnte wenigstens fliegen, doch sein Vater hatte ihn gebeten, damit zu warten, weil er befürchtete, die anderen Tiere könnten dadurch noch ablehnender werden. Allerdings konnte sich Dämmer nicht vorstellen, dass sie noch viel ablehnender werden konnten, als sie bereits waren. Trotzdem tat er, was sein Vater wollte, und wenn er sich Baum nach Baum hocharbeitete, versuchte er an das Versprechen seines Vaters zu denken, dass er wieder fliegen würde, sobald sie endlich ein eigenes Zuhause gefunden hätten.
    »Wir hätten bei Gyrokus bleiben sollen«, brummelte Sylph vor sich hin, während

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