Nachtflug Zur Hölle
die Lippen.
»Achtung, alle Mann! Fliegeralarm! Alle Zivilisten sofort in den Keller. Auf weitere Anflüge achten – ich will nicht, daß alle sich nur auf die HINDS konzentrieren und einen kleineren Hubschrauber unbemerkt rankommen lassen. Rattlers, klar zum Alarmstart! Stinger-Teams, sofort Meldung, wenn Ziele erfaßt und…«
»Major, Sie dürfen diese Hubschrauber nicht beschießen«, sagte Botschafter Reynolds, indem er Jurgensen eine Hand auf die Schulter legte.
»Wie bitte?«
»Sie dürfen vom Botschaftsgelände aus nicht auf diese Hubschrauber schießen.«
Während die Triebwerke der Kampfhubschrauber AH-1W Sea Cobra heulend anliefen, schüttelte Jurgensen den Kopf, als habe er Reynolds’ ungeheuerliche Behauptung nicht richtig verstanden.
»Soll das ein Witz sein, Mr. Ambassador?«
»Das ist mein voller Ernst, Major«, versicherte Reynolds ihm.
»Begreifen Sie das nicht? Wir genießen hier nur deshalb diplomatische Immunität, weil wir uns strikt auf Verteidigung und den Schutz unserer eigenen Staatsbürger beschränken. Außerdem hat uns weder Washington noch der litauische Präsident irgendwelche offensiven Handlungen gestattet.«
»Aber diese Hubschrauber gefährden meine Männer!«
»Fliegende Hubschrauber gefährden niemanden, solange sie nicht angreifen, Major«, stellte Reynolds fest. »Also dürfen Sie nicht schießen, bevor nicht auf uns geschossen wird. Jeder Angriff auf unsere Botschaft ist auf Anordnung des Präsidenten als kriegerischer Akt zu betrachten, aber ein von diesem Gelände ausgehender Angriff wäre eine schwere Völkerrechtsverletzung.«
»Was soll ich also tun? Mich hinstellen und auf einen Angriff warten?«
»Sie haben keine andere Wahl«, sagte Reynolds nachdrücklich.
»Sie können sich nur zur Verteidigung einrichten – und verdammt noch mal hoffen, daß die Hubschrauber nicht angreifen.«.
»Ich denke nicht daran, untätig rumzusitzen und auf einen Angriff zu warten!«
»Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, Major, aber als US-Botschafter in Litauen und Chef dieser Einrichtung befehle ich Ihnen, nicht auf die Hubschrauber zu schießen, solange wir nicht angegriffen werden.«
Jurgensen war vor Schock sprachlos. Die Mi-24 waren inzwischen so nahe herangekommen, daß er sie als das ältere Modell HIND-D erkannte, deren Bewaffnung aus einem 12,7-mm-MG im Bug, vier Raketenbehältern mit je 32 57-mm-Raketen und mindestens vier Panzerabwehrlenkwaffen oder Jagdraketen bestand. Die Maschinen bildeten eine in der Höhe leicht gestaffelte Angriffsformation, in der sie zum Schutz vor Fla-Raketen nur den geringsten Querschnitt zeigten.
»Das ist eine Angriffsformation, Mr. Ambassador!« drängte Jurgensen. »Wir müssen etwas unternehmen!«
»Sie dürfen nicht angreifen, Major«, sagte Reynolds fast bittend.
»Ich weiß, wie Ihnen zumute ist – ich bin jetzt Anwalt und Botschafter, aber früher war ich selbst beim Marine Corps. Gelingt es diesen Hubschraubern, Sie zu einem Angriff zu provozieren, können sie unsere ganze Botschaft in Schutt und Asche legen und sich dabei zu Recht auf Notwehr berufen. Eigentlich dürften Sie nicht mal mit den Fla-Raketen Stinger auf sie zielen – schon das könnte als Angriffshandlung ausgelegt werden! Würden davon Bilder gemacht und veröffentlicht, wären wir beide unseren Job los.«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Der Major hatte sich sein Leben lang noch nie so hilflos gefühlt. »Trotzdem bleiben meine Stinger-Teams in Bereitschaft. Mein Job ist mir egal, aber diese Raketen sind unsere einzige Waffe gegen Kampfhubschrauber.«
Die Mi-24 kamen jetzt in ideale Stinger-Reichweite.
Jurgensen hob sein Handfunkgerät an die Lippen. »Alle Einheiten, jetzt Stufe grün, aber nicht angreifen. Niemand eröffnet das Feuer ohne meinen ausdrücklichen Befehl.« Er wandte sich an Reynolds und fragte: »Aber meine Sea Cobra kann ich starten lassen, stimmt’s?«
»Wir haben Erlaubnis, Litauen zu überfliegen, Major«, bestätigte Reynolds. »Also können Sie mit den Cobras machen, was Sie wollen.
Aber auch für sie gilt, daß sie erst schießen dürfen, wenn sie selbst beschossen werden. Und ich schlage … äh … vor, daß sie sich auch an die internationalen Luftverkehrsregeln halten.« Das sagte er weniger nachdrücklich, denn die Kampfhubschrauber kamen wirklich sehr schnell näher, und der Botschafter wollte nicht riskieren, Jurgensen den Start seiner Sea Cobras auszureden.
Aber diese Gefahr bestand jetzt nicht. »Ich hab’s
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