Nachtflug Zur Hölle
militärische Führungsspitze in Washington bestünde nur noch aus politischen Arschkriechern!«
»Tun Sie sich bloß keinen Zwang an«, sagte Curtis. »Ich schmeiße Sie garantiert nicht raus – das überlasse ich dem Präsidenten, bei dem nicht mehr viel dazu fehlt. Sie können nicht auf eigene Faust eine Neuauflage des Einsatzes der Old Dog planen, nur weil Sie ihn für zweckmäßig halten. Natürlich wünscht sich jeder, er könnte ein paar modifizierte B-52 starten und die Bösen bombardieren. Aber so einfach ist die Sache nicht! Die politische Führung dieses Landes hat mehr zu berücksichtigen, als die Schuld- und Selbstwertgefühle eines einzelnen Mannes.«
»Schuldgefühle? Selbstwertgefühl? Wovon reden Sie eigentlich?«
»Ich rede von Ihnen, Brad«, sagte Curtis. »Sie tragen das Unternehmen Old Dog wie einen Orden an der Brust. Ihre Beinprothese ist eine Art Denkmal für ein Unternehmen, das durch Ihre Schuld schiefgegangen ist.«
»Aber es ist nicht schiefgegangen, Curtis! Wir haben unseren Auftrag ausgeführt! Wir haben Kawasnija zerstört!«
»Das Ziel ist nur bombardiert worden, weil Sie Profis wie McLanahan, Luger, Tork, Pereira und Ormack an Bord hatten«, stellte Curtis fest. »Dazu haben Sie verdammt wenig beigetragen: meistens vor Schmerzen und Schock kaum ansprechbar, während des Angriffs halb bewußtlos und nach dem Start in Anadyr ganz ohnmächtig. Sie haben nicht nur praktisch nichts zum Erfolg des Unternehmens beigetragen, sondern beinahe die Besatzung der Old Dog umgebracht und eigenhändig den Dritten Weltkrieg ausgelöst!«
Elliott schien widersprechen zu wollen, aber Curtis ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Und sehen Sie sich an, was Sie jetzt vorhaben! Sechs EB-52 sind startbereit. MADCAP MAGICIAN ist befehlswidrig ausgelaufen und angeblich in der Ostsee verschollen. Sie tragen Ihre Fliegerkombi, um dem Weißen Haus und mir Entschlossenheit zu demonstrieren. Da kein Arzt Sie für flugtauglich erklärt hat, haben Sie auch keinen Grund, eine Fliegerkombi zu tragen – ein erbärmliches Clownskostüm, Brad! Das Kennzeichen eines müden alten Mannes, der sich davor fürchtet, einsam und unbesungen zu sterben.
Sie verschwenden keinen Gedanken auf die möglichen Folgen – Krieg in Europa, ein nuklearer Schlagabtausch zwischen uns, Weißrußland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Ihnen ist egal, wer alles sterben muß, solange Sie nur Ihre Chance bekommen, den Mann rauszuholen, der damals Ihnen das Leben gerettet hat. Vermutlich gehören Wendy Tork und Angelina Pereira zur Besatzung einer dieser EB-52, nicht wahr?«
»Ich … beide wollten unbedingt mit, haben nicht lockergelassen, und…«
»Sie Dreckskerl!« explodierte Curtis. »Wie können Sie deren Leben auch noch mal aufs Spiel setzen? Was hätten Sie getan, wenn sie bei diesem Einsatz umgekommen wären? Oder wäre Ihnen das gleichgültig gewesen? Solange Sie Dave rausgeholt hätten, solange Sie versucht hätten, Dave rauszuholen, wäre Ihr Gewissen rein gewesen. Sie wären zur Beisetzung gegangen, hätten ein paar passende Worte gesprochen und hätten sich anschließend dazu gratuliert, am Leben geblieben zu sein.«
»Trauen Sie mir das wirklich zu?« fragte Elliott betroffen. »Glauben Sie denn, daß ich seit damals fast jede Nacht hochschrecke, weil ich mich dazu beglückwünsche, lebend davongekommen zu sein?
Diese Gesichter verfolgen mich im Traum, Wilbur.«
»Aber bilden Sie sich etwa ein, nachts besser schlafen zu können, Brad, wenn Sie Ihre Fliegerkombi, Ihre Besatzungen und Ihre EB-52 nehmen und mit oder ohne Erlaubnis der Regierung in den Krieg ziehen? Denken Sie gefälligst darüber nach, verdammt noch mal!
Hier geht’s nicht um Erfolg oder Mißerfolg. Erfolgreich sind Sie immer gewesen. Aber Sie sind auch immer einsam gewesen. Sie sind ein Einzelgänger, der Angst vor der Einsamkeit hat. Sie sind ein Krieger, der Angst vor dem Sterben hat.
Sehen Sie sich an, was dort passiert, Brad. Der weißrussische General Woschtschanka ist dabei, mit seiner Heimatbrigade aus eige-410
nem Antrieb Litauen zu besetzen. Ohne Erlaubnis seiner Regierung – er hat nur einfach beschlossen, es zu tun, Präsident Swetlow hat keine andere Wahl gehabt, als sein Unternehmen nachträglich zu billigen.
Swetlow muß sich jetzt von Woschtschanka vorschreiben lassen, wie er auftreten und was er sagen soll, weil der General ihm für den Fall, daß er nicht mitmacht, bestimmt mit einer Besetzung der Hauptstadt gedroht
Weitere Kostenlose Bücher