Nachtflug Zur Hölle
will er nur Ihnen sagen, General.«
Das war keine Überraschung. Erschien ein KGB-Offizier irgendwo persönlich, vermied er es möglichst, sich Unbekannten oder im Rang unter ihm Stehenden wie einem Portier gegenüber auszuweisen.
Hätte der Besucher einen Namen genannt, wäre Gabowitsch erst recht mißtrauisch geworden. »Gut, er soll raufkommen«, entschied der General.
Gabowitsch zog seine Beretta aus dem Schulterhalfter, als an die Zimmertür geklopft wurde – erst viermal, dann einmal etwas tiefer, ein vertrauter KGB-Code. Er hielt die Pistole schußbereit, während er mit der freien Linken die Tür aufriß.
»Guten Abend, General Gabowitsch«, begrüßte ihn der Besucher freundlich.
Gabowitsch wußte nicht recht, wen er erwartet hatte – aber jedenfalls nicht General Boris Grigorjewitsch Dwornikow, den ehemaligen Moskauer KGB-Chef. Dwornikow bekleidete jetzt einen Führungsposten bei der Moskauer Polizei, aber Gabowitsch wußte aus eigenen Quellen, daß er sich keineswegs nur auf Polizeiarbeit beschränkte.
Offenbar mischte Dwornikow auch nach dem Zerfall der Sowjetunion weiter überall mit und hatte viel bessere Verbindungen als Gabowitsch selbst. Bekannt war jedoch auch, daß Dwornikow heimtückisch verschlagen sein konnte und sich in letzter Zeit mehrmals auffällig zugunsten der Amerikaner engagiert hatte.
»Wollen Sie mich nicht hereinbitten, Wiktor Jossifowitsch, oder reden wir hier draußen im Flur miteinander?«
Gabowitsch machte Dwornikow sprachlos verblüfft ein Zeichen, er solle eintreten.
»Ich bin lange nicht mehr im Hotel Latvia gewesen«, sagte Dwor-468
nikow, während er seine schwarzen Lederhandschuhe auszog und sich nonchalant umsah. »Es hat sich seit Intourist-Zeiten ziemlich verändert, nicht wahr? Das Innenministerium und wir beim KGB sind eben keine Hotelfachleute gewesen.« Er sah Gabowitschs Hand in seiner rechten Hosentasche und lächelte. »Sie haben noch immer eine Vorliebe für diese hübschen kleinen italienischen Pistolen? Für Sie immer nur beste Qualität, nicht wahr?«
Gabowitsch zog seine Hand aus der Tasche, sicherte die Beretta und steckte sie ins Schulterhalfter zurück. »Ihr Besuch kommt überraschend, Genosse General…«
»Bitte keine Dienstgrade mehr, Wiktor Jossifowitsch«, sagte Dwornikow milde protestierend. »Wenigstens nicht vor der Wiedererrichtung der Sowjetunion – und dann stehe ich vermutlich im Rang unter Ihnen. Nur Sie haben den Weitblick aufgebracht, endlich etwas zu unternehmen, um den früheren Glanz der Sowjetunion wiederherzustellen.« Ein Lächeln zeigte, wie stolz Gabowitsch darauf war. »Ich vermute wohl richtig, daß das der Zweck Ihres Geheimpakts mit General Woschtschanka und den übrigen weißrussischen Berserkern gewesen ist?«
Gabowitsch war sichtlich erleichtert. Sein bisher erfolgreicher Plan war von einem der mächtigsten Männer der ehemaligen Sowjetunion gebilligt worden. Dwornikow war sogar bereit, sich ihm zu unterstellen! »Ja, genau das habe ich beabsichtigt, Genosse General«, antwortete Gabowitsch stolz. »Ich bin glücklich, daß Sie damit einverstanden sind.«
»Ich wüßte gern mehr, Genosse«, sagte Dwornikow. Er zeigte auf den Barschrank im Wohnraum von Gabowitsch Suite. »Wie wär’s mit einem Gläschen auf den Erfolg Ihres Unternehmens?« Gabowitsch bot ihm mit einer Handbewegung einen Sessel an und schenkte zwei Gläser Cognac ein. Bevor er etwas sagen konnte, hob Dwornikow sein Glas. »Auf Sie und den Erfolg Ihres Unternehmens!«
»Auf die neue Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken!« sagte Gabowitsch zuversichtlich. Er leerte das Glas, ohne zu merken, daß Dwornikow nur an seinem Cognac nippte.
»Sie haben wirklich viel erreicht, Wiktor Jossifowitsch«, bestätigte Dwornikow lächelnd. »Den alten Woschtschanka dazu aufzustacheln, seine Truppen gegen die Litauer und unsere Landsleute im Kaliningrader Gebiet einzusetzen, ist ein Geniestreich gewesen.
Mich wundert ehrlich gesagt nur, daß der alte Trottel Ihren Plan überhaupt verstanden hat.«
»Er scheint vage Vorstellungen von einem neuen kommunistischen Staat und der Wiedererrichtung der Sowjetunion zu hegen«, antwortete Gabowitsch, »aber mehr als alles andere interessiert ihn persönliche Macht. Woschtschanka ist von der Idee besessen gewesen, sich mehr Macht, immer mehr Macht, zu sichern. Gefehlt hat ihm dazu nur das richtige Werkzeug, der richtige Zündfunken…«
»Und für den haben Sie gesorgt«, warf Dwornikow ein. »Als Direktor des
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