Nachtflug Zur Hölle
Sicherheitsdienstes im Fisikus haben Sie Woschtschanka verlockende Angebote machen können, nicht wahr? Ein ganzes Waffenarsenal – und vor allem Atomsprengköpfe. Meines Wissens ist der KR-11 ebenso wie die Abwurflenkwaffe X-27 am Fisikus entwickelt worden, stimmt’s? Damit haben Sie ihn geködert, nicht wahr?«
Gabowitsch war keineswegs überrascht, daß der andere seinen Plan entdeckt und enträtselt hatte – schließlich war genau das die Fähigkeit, die Dwornikow berühmt gemacht hatte. »Richtig«, bestätigte er. »Nicht nur die Waffen, Boris Grigorjewitsch, sondern auch das dazugehörige Steuersystem. An sich ein recht einfaches System, weitgehend automatisiert und …«
»Wie viele Sprengköpfe haben Sie ihm geliefert?«
»Drei«, antwortete Gabowitsch. »Außerdem haben wir Techniker abgestellt, um seine Atomraketen SS-21 für die Aufnahme unserer Sprengköpfe modifizieren zu lassen. Woschtschanka besitzt eine Option auf neun weitere und kann …«
»Wieviele SS-21 mit Atomsprengköpfen hat Woschtschanka im Augenblick einsatzbereit?« fragte Dwornikow, während er mit der Kuppe des rechten Zeigefingers spielerisch über den Rand seines Cognacschwenkers fuhr.
Die wiederholten Fragen – und vor allem die letzte – irritierten Gabowitsch, der jetzt auch merkte, daß Dwornikow seinen Cognac praktisch nicht angerührt hatte. Das Ganze klang allmählich fast nach einem Verhör. »Gibt es irgendwelche Probleme, Boris Grigorjewitsch? Alles verläuft genau nach Plan. In ein paar Tagen ist ganz Litauen besetzt. Der Gemeinschaft bleibt dann nichts mehr anderes übrig, als sich am Verhandlungstisch mit Woschtschanka zu einigen.«
»Aber was haben Sie davon, Wiktor Jossifowitsch?« fragte Dwornikow. »Wie Sie natürlich wissen, ist das Fisikus-Institut von Dominikas Palcikas und amerikanischen Marines besetzt worden, und die Litauer haben alle Wissenschaftler verhaftet. Sie selbst können unmöglich gehofft haben, das Fisikus auch nach Beginn der Invasion halten zu können. Was haben Sie also…« Er sprach nicht weiter, weil ihm plötzlich klar wurde, was Gabowitsch wollte – und daß es nichts mit dem Fisikus zu tun hatte.
»Ich glaube, Sie haben erraten, was ich will, Boris Grigorjewitsch, und Sie stimmen mir zu«, sagte Gabowitsch. »Die verdammte GUS, die rücksichtslosen Bürokraten in Moskau, die erbärmlichen Gestalten im Ministerrat in Minsk – sie alle wissen, was passieren wird, was geschehen muß. Wie soll die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten‹
angesichts der riesenhaften Probleme der Nachfolgerstaaten der Sowjetunion überleben können?«
»Da haben Sie recht«, sagte Dwornikow nickend. »Diese Gemeinschaft wird nicht lange Bestand haben. Aber wie konnten Sie einem Größenwahnsinnigen wie Woschtschanka Atomsprengköpfe verschaffen? Sie wissen doch, was er damit tun wird.«
»Ja – er wird sie einsetzen«, antwortete Gabowitsch lakonisch.
»gegen GUS-Truppen, gegen Russen, gegen Minsk, gegen jeden Angreifer. Und wenn der erste Sprengkopf detoniert, bricht in ganz Europa ein Chaos aus, in dem auch die GUS untergeht.«
»Und Sie sind in Riga, weil Sie damit rechnen, daß Woschtschanka seine Atomraketen nicht nur gegen russische und GUS-Truppen, sondern auch gegen Minsk einsetzen wird?«
»Selbstverständlich«, bestätigte Gabowitsch nüchtern. »In Minsk hat er keine Kommandostellen mehr – alle sind nach Smorgon verlegt worden und sollen bald nach Kaunas übersiedeln.«
»Und Wilna?« fragte Dwornikow weiter. »Soll Wilna auch zerstört werden?«
»Alle Spuren russischer Einflüsse werden getilgt – auch in seiner Heimat«, sagte Gabowitsch. »Aber bis dahin ist die Masse seiner rund hunderttausend Mann starken Land- und Luftstreitkräfte außer Gefahr im Westen Litauens und im Kaliningrader Gebiet stationiert.«
»Die Russen werden ihn vernichten.«
»Glauben Sie, daß Woschtschanka sich davor fürchtet? Nein, er hält sich für unbesiegbar! Was logisch oder taktisch klug ist, spielt bei
seinen Überlegungen keine Rolle. Mich würde es nicht wundern, wenn er heimlich ein paar Raketen nach Rußland verlegt hätte, um sie auf Moskau abzuschießen.«
»Was ist mit Riga? Lettland ist doch fast so russisch wie Sankt Petersburg.«
»Soviel ich weiß, hat er im Augenblick nicht vor, Estland und Lettland zu besetzen«, antwortete Gabowitsch. »Trotzdem verfolge ich die Bewegungen seiner Raketentruppen. Bisher ist noch keine SS-21-Einheit gefährlich nahe an Lettland herangekommen
Weitere Kostenlose Bücher