Nachtflug Zur Hölle
für alle möglichen Notfälle Alternativpläne ausarbeiteten.
Auch die U.S. Air Force hielt Unterstützungskräfte in Bereitschaft – allerdings mit noch mehr Feuerkraft als die Marines. Das Special Operations Command ließ auf der Frankfurter Rhein-Main Air Base eine von zwei F-16 Fighting-Falcon-Jägern begleitete MC-130P starten, die andere Flugzeuge in niedrigen Höhen und über feindlichem Gebiet betanken konnte. Die schwer mit Minenkanistern, Raketenbehältern, Lenkwaffen zur Radaransteuerung und Jagdraketen bewaffneten F-16 konnten den Marines helfen, sich von feindlichen Einheiten zu lösen, oder den Himmel freihalten, falls die Russen versuchten, Jäger gegen das Kipprotorflugzeug einzusetzen. Außerdem würden der Tanker MC-130H COMBAT TALON aus England – Deckname WILEY COYOTE – und seine aus Norwegen zu ihm stoßenden Begleitjäger vor der Südspitze der schwedischen Insel Gotland kreisen, um die CV-22 mit RAGANU an Bord betanken zu können. Für den Fall, daß die CV-22 bei diesem Unternehmen beschädigt wurde, hatte die Valley Mistress mehrere kleine, harmlos wirkende, aber mit Marines bemannte Rennboote ausgesetzt, die sich als Bergungsteam bereit hielten.
Lobato und seine Männer wurden keine 15 Kilometer von der Küste entfernt abgesetzt, aber sie brauchten fast eine Stunde, um den Sandstrand nördlich von Libau zu erreichen. Unterwegs stellten sie alle paar Minuten den schallgedämpften Außenborder ab und suchten mit ihren Nachtsichtbrillen PVS-5 die See nach etwaigen Verfolgern ab.
Die Männer des Stoßtrupps vertrauten auf ihre Ausbildung und Erfahrung, wenn es darum ging, Windgeräusche und Wellenschlag zu verdrängen, und ebenso ihre eigene Angst, ihr körperliches Unbehagen. Sie waren bereit, sich gegen jede mögliche Gefahr zu verteidigen. Obwohl sie die isolierten »Mustang-Anzüge« sorgfältig angelegt hatten, gab es etliche undichte Stellen, und das Nomex-Gewebe ihrer feuerfesten Fliegerkombis wurde dort vom Salzwasser kalt und kratzig. Obwohl sie sich tief unter die Gummiwülste ihres Schlauchboots duckten, konnten auch dicke Gesichtsmasken aus Wolle und die gestrickten Wollmützen sie nur unvollständig vor der hereinspritzenden Gischt schützen. Ihr Funker, der ein kleines, nur zweieinhalb Kilo schweres Motorola MX-300 benutzte, hatte alle Mühe, den ihm zugeteilten Sektor zu überwachen und zugleich auf Funkverkehr zu achten. Jeder Umlauf des weißen Hochleistungsfeuers eines nahegelegenen Leuchtturms ließ die Marines unwillkürlich die Köpfe einziehen, und Lobato hielt möglichst viel Abstand von diesem Leuchtturm.
Schließlich hörten sie das Rauschen der Brandung am Strand und bereiteten sich auf ihre Landung vor. Alle Augen suchten die Küste nach etwas ab, das ihnen gefährlich werden konnte – Militärpatrouillen waren häufig, aber Zivilisten, die nachts einen Spaziergang machten, waren noch häufiger anzutreffen – und ebenso gefährlich. Wegen eines Objekts, das ein neben der Küstenstraße geparkter Lastwagen oder ein anderes großes Fahrzeug sein konnte, verlegte Lobato ihren Landeort eineinhalb Kilometer weit nach Süden. Der Strand war menschenleer.
Mit leichtem Zischen glitt das CRRC auf den Ostseestrand. Die Marines sprangen sofort aus dem Schlauchboot, schleppten es aus dem flachen Wasser und trugen es über den etwa 50 Meter breiten Strand bis an den Fuß der niedrigen Dünenkette, hinter der die Küstenstraße lag. Das CRRC wurde rasch im Sand vergraben. Sobald alle Spuren verwischt waren, machte der Stoßtrupp sich weit auseinandergezogen auf den Weg, der zunächst der Küstenstraße folgte.
Ihr Einsatz begann eigentlich erst jetzt: Sie hatten sieben bis acht Kilometer weit zu marschieren, um den Treffpunkt zu erreichen.
USS Valley Mistress
29. November, 01.00 Uhr
»Alle Flugzeuge sind gestartet«, meldete Knowlton im zweiten MISCO – dem als Nachrichtenzentrale eingerichteten Container, der mit neuester Fernmeldetechnik die Verfolgung des Einsatzes ermöglichte – an Paul White. »Alle Meldungen okay.«
White nickte zufrieden. Zehn moderne Flugzeuge, ungefähr 30 Männer mit Spezialausbildung und ein 300 Millionen Dollar teures Hightech-Spionageschiff waren unmittelbar an einem Unternehmen beteiligt, bei dem ein Nichtamerikaner aus einer Republik der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) herausgeholt werden sollte. In zwei Stunden würden sie alle in der östlichen Ostsee zusammentreffen, und das Spiel würde zu Ende gespielt werden. Zählte
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