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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Feigling hat sich vergiftet!« Jemand versetzte ihm einen harten Schlag gegen die Schläfe. Er nahm sich vor, später darüber zu lachen.
    »Gib ihm Wasser«, befahl ein anderer energisch.
    Grundgütige Imogene, nein. Dieselbe Hand wie zuvor zerrte ihn auf die Füße, aber diesmal wurde ihm ein Arm um die Schultern gelegt. Sein Kopf kippte weg, sodass er die Flasche nicht peilen konnte, aber irgendwie bekam er eine Hand hoch und glaubte, dass er sie in die richtige Richtung ausstreckte. Er spürte die Flasche und stieß sie mit aller ihm noch verbliebenen Kraft beiseite. Jemand brüllte eine Warnung. Dicht bei ihm folgte heftiges Ringen und Klirren. Ishmaels nur noch sporadisch funktionierender Ultraschallsinn machte die Umrisse der Männer um ihn herum aus. Zwei von ihnen drängten in einer beinahe komischen Geste panischen Rückzugs gegen die anderen. Der Mann, der ihn festhielt, sagte mit plötzlichem Erschrecken: »Mein Arm kribbelt.«
    »Geh weg von ihm«, sagte einer von ihnen, zog den anderen weg und ließ es zu, dass Ishmael zur Seite kippte, halb aufs Bett, halb auf den Boden. Er hatte jedwedes Gefühl im Gesicht und alle Kontrolle über sein Sonar verloren, das nur noch zu gelegentlichen, ungerichteten Impulsen fähig war. Er peilte seine Hand, die im Gelenk abgeknickt und nur durch einen Lederhandschuh geschützt war, neben einer Pfütze auf dem Boden. Dann peilte er unruhige Schritte und hörte durch das Getöse in seinen Ohren Rufe. Wenn sie ihn aus Wut oder Gehässigkeit auf den Boden warfen, würde er tot sein, sobald die verschüttete Flüssigkeit durch sein Hemd drang. Und es würde gewiss Vergeltung gegen seine Magierkollegen geben, falls einer von ihnen durch diesen »Selbstmordversuch« erkrankte oder starb.
    Doch gegen all diese Dinge konnte er nichts unternehmen. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder nach innen. Vage hörte er seine Zellentür zuschlagen, und die nahen Stimmen verschwammen im allgemeinen Getöse des eben erwachten Gefängnisses, als die Gefangenen die Panik der Wachen nutzten, um heftig gegen ihre Gitter zu schlagen und zu stören, so gut sie konnten. Er blieb gerade genug bei Bewusstsein, um die letzte Pastille aus seinem Hemd zu holen und sich in den Mund zu fummeln, wobei er sie beinahe verlor, als seine Wange über eine durchweichte Stelle auf dem Kissen strich – Speichel, begriff er einen Moment später, kein Gift. Er hoffte um des Mannes willen, der ihm – in aller Unschuld – das Wasser hatte geben wollen, dass der Gefängnisapotheker einen klaren Verstand hatte und wusste, wie man die Atmung unterstützt. Skafferngift war kurzlebig – wenigstens das. Und dann vertrieb ein Aufwallen maßlosen Zorns den schlimmsten Teil der Taubheit.
    Er zog sich hoch, wobei er die Wand, das Bett und den Zorn als Krücken benutzte, und prallte gegen die Gitterstäbe. Während er diese mit einer behandschuhten Hand umfasst hielt, spuckte er das Spiculum in die andere und brüllte – oder versuchte zu brüllen, wobei seine Stimme ein keuchendes Knurren war und seine Zunge wie eine einsame Socke auf einer Wäscheleine flatterte: »Es war im Wasser, verflucht sollt ihr sein. Ich bin kein Zauberer und kein Selbstmörder.« Er schob einen Arm bis zur Achsel durch die Gitterstäbe, hing sich mit der Achsel über einen Querstab und deutete auf einen der Männer, die so auffällig vor dem Wasser zurückgewichen waren. »Fragt ihn, warum er wusste, dass er das Wasser nicht berühren durfte.«
    Die Wachen würden die Logik seiner Anklage niemals akzeptieren. Selbst wenn sie ihn in Stücke rissen und sich dabei noch zwei oder drei vergifteten, würde man ihm trotzdem die Schuld geben. Der Mann, den er angeklagt hatte, war verwirrt genug, um Lügen zu faseln, die gewiss bei jedem mit etwas Verstand Verdacht erregt hätten, aber ungehört blieben. Ein halbes Dutzend erzürnter Wachen kam auf Ishmael zu. Er stieß sich von den Gitterstäben ab, damit sie die Stäbe nicht als Hebel benutzen konnten, um ihn zu verstümmeln, und prallte taumelnd rückwärts gegen die Wand.
    Während er sich noch wappnete, hörte er eine Männerstimme: »Was geht hier vor?«
    Die Stimme gehörte dem Superintendenten, der ihn verhaftet hatte, dem nicht mehr ganz jungen Mann mit der charakteristischen Nase und dem Ruf, Prinzipien gingen über alles. In seiner Begleitung erkannte er di Brennan, seinen Anwalt. Seine Knie gaben unter ihm nach – er sagte sich, dass es nicht Erleichterung sei, sondern lediglich das

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