Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Baron Strumhellers – Verhaftung schrieben. Sie musste sich dazu zwingen, distanzierter an ihn zu denken. Aber sie traute sich nicht, vor Merivan danach zu fragen, und auch nicht, nach der Zeitung zu greifen. Sie aß ihren Toast und noch eine weitere kleine Scheibe und trank den Zitronentee, nach dem sie ein unerklärliches Verlangen verspürt hatte, dann entschuldigte sie sich bei Gastgeber und Gastgeberin. Nachdem sie mit den Ermittlungsagenten gesprochen hatte, würde sie mit Amerdale Balthasar besuchen, und zwar möglichst ohne vorherige lange Diskussionen. Außerdem musste sie einen Brief an die arme vergessene Sylvide schreiben und sie bitten, sich im herzoglichen Palast mit ihnen zu treffen. Sylvide war gewiss genauso verzweifelt darauf bedacht, sich der Domäne ihrer Schwiegermutter zu entziehen wie Telmaine der Domäne ihrer Schwester. Sie würde sie bitten, die Zeitungen mitzubringen. Nach dem Besuch bei Balthasar wusste sie vielleicht, was zu tun war, außer zu brodeln wie ein Topf, der jeden Moment überkochte.
Geh zu Vladimer. Du musst ihm helfen.
Sie kaute auf der Innenseite ihrer Unterlippe und schob den aufdringlichen Gedanken beiseite. Es war nicht ihre Aufgabe , Vladimer zu helfen, insbesondere da sie fürchtete zu wissen, welche Art von Hilfe Ishmael – gewiss war er es – im Sinn hatte. Sie war eine Ehefrau und Mutter – eine respektable Frau, die sich um ihre Familie kümmern würde, wie es sich gehörte.
Ishmael
Der zweite Mordversuch wurde unternommen, als Ishmael von der Verhörzelle in seine neue Zelle geführt wurde. Diese grenzte an die Wachstation, und dort brachten sie alle Unruhestifter unter. Weiter entfernt vom Ausgang, zu seinem Bedauern. Noch bevor sie in den Flur einbogen, hörte er das aggressive Gebrüll der Gefangenen und die Rufe der Wachen, die sie zum Schweigen bringen wollten. Beides verdoppelte sich, sobald das erste Sonar ihrer gewahr wurde. Trotz aller Bösartiugkeit wohnte den Beschimpfungen etwas seltsam Gezwungenes inne. Er führte es auf die fundamentale Leere von Männern zurück, die sich genötigt fühlten, gegen alle Neuankömmlinge zu kämpfen, nur um sich ihre Existenz, ihre Bedeutung, ihre Männlichkeit zu beweisen .
Sie befanden sich auf gleicher Höhe mit den Zellen, als ein Gefangener durch die Gitterstäbe griff und den Gürtel des nächsten Wachmanns packte. Der Wachmann war jung oder begriffstutzig oder … Aus welchem Grund auch immer, reagierte er zu spät, denn als er sich endlich gegen den Griff des Gefangenen stemmte, ließ dieser ihn los und versetzte ihm zusätzlich einen Stoß. Er stolperte gegen Ishmael, sodass dieser gegen den zweiten Wachmann prallte; der drehte sich, packte Ishmael und stieß ihn hart gegen die Gitterstäbe der gegenüberliegenden Zelle. Der Arm des Gefangenen darin legte sich wie ein Eisenriegel über Ishmaels Kehle; ein Messer – er brauchte es nicht zu peilen, um es zu wissen – wurde mit mörderischer Gewalt durch sein Hemd und gegen die Ringe seiner gepanzerten Weste getrieben. Sein Angreifer fluchte. Die Wachen riefen durcheinander und rissen ihn weg, bevor sein Angreifer das Messer in seine ungeschützte Achsel oder Kehle rammen konnte.
Ein scheinbar willkürlicher Peilruf verriet Ishmael, dass keine Hoffnung bestand, auf den Ausgang zuzurennen. Er ließ sich den Wachen in die Arme fallen und mimte das erdolchte Opfer. Sie schleppten ihn in die ihm bestimmte Zelle. Rufe nach dem Apotheker wurden laut, die es schwer hatten, sich gegen die Misslaute des Jubels über den scheinbar erfolgreichen Mord durchzusetzen. Keine der Wachen versuchte, sein Hemd zu öffnen oder seine Wunde zu untersuchen. Offensichtlich widerstrebte es ihnen, den Magier mehr zu berühren als unbedingt notwendig. Er lag reglos da und dachte über die Choreografie des Angriffs nach. Je mehr er grübelte, umso weniger glaubte er, dass es sich um einen Zufall handelte. Zwei Gefangene gewiss, der Wachmann vielleicht und wer immer dieses Messer bereitgestellt hatte.
Alle Gefängnisse waren schlecht für die Gesundheit eines Mannes. Dieses versprach für seine Gesundheit ganz besonders schlecht zu sein. Ishmael atmete stetig und in dem Wissen, dass Ruhe jetzt sein bester Verbündeter war.
Der Gefängnisapotheker erschien und verlangte in seinem kaum zu verhehlenden Akzent, einen Wachmann bei ihm zu lassen, einen tüchtigen Wachmann, bitte, und dass sie ihm Platz zum Arbeiten geben sollten. Er würde es sie wissen lassen, wenn er Hilfe brauche,
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