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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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des Falls zu überzeugen?«, murmelte Kip. Wie Ishmael begriff, machte er sich im Wesentlichen keine Sorgen darüber, ob er schuldig oder unschuldig war. »Sie haben sich Ihren Arm verbrannt«, bemerkte er. Ishmael war beeindruckt, denn er hatte die sich verstohlen nähernden Schritte kaum gehört.
    »Ich bin in der Flussmark mit dem Leben davongekommen, aber nicht mit dem Hemd.«
    Kips Finger schlossen sich hart, beinahe brutal um sein Handgelenk. »Meine Freundin hat es nicht getan«, sagte er tonlos. »Auch nicht ihre Jüngste.«
    »Das tut mir sehr leid.«
    »Sie war ein zänkisches Weib, aber verbrennen ist ein böses Ende, und das Kind hat in seinem kurzen Leben nichts Unrechtes getan.« Ishmael gewann für einen Moment den Eindruck vom hohen Kichern eines Kindes, von einem zappelnden Körper quer über seiner Brust, der federzarten Berührung weicher Locken auf seinem Kinn und seiner Nase – alles, was von dem kleinen Kind übrig geblieben war, das Kip geliebt hatte und für das der Mann trotz seiner zynischen Haltung Rache ersehnte. Ishmael fragte sich, wie viele Menschen wie er sich in dieser Nacht draußen in der Stadt befanden.
    »Es heißt, der Brand sei von Lichtgeborenen gelegt worden«, sagte Kip grimmig.
    »Nein«, brummte Ishmael. »Nicht von Lichtgeborenen. Und auch nicht von Nachtgeborenen. Sagen Sie Schattengeborene, wenn Sie sich auf eine Rasse festlegen müssen. Sie haben sich durch diese Tat außerhalb von Rasse und Gesetz gestellt. Ich kenne ihr Werk und ihre Spuren.« Mit seiner raschen Auffassungsgabe würde Kip die von Ishmael beabsichtigten Verbindungen herstellen, darauf vertraute er. »Wo leben Sie jetzt?«
    »Im anderen Flügel, solange eine leere Zelle zur Verfügung steht«, sagte Kip nach kurzem Schweigen. Seine Gedanken waren wachsam; er nahm die Hand weg. »Wie geht es Ihrer Brust mit dem Rauch? Sie scheinen mühelos atmen zu können.«
    »Für’s Erste tue ich das«, erwiderte Ishmael trocken. Er senkte die Stimme. »Können Sie mir meine Dietriche beschaffen? Sie waren in meinen Schuhen.«
    »Das kann ich höchstwahrscheinlich, oder genauso gute«, antwortete der Mann mit leiser Stimme. »Es wird Sie etwas kosten, für all die Male, die Sie mir drei Kupfermünzen hätten bezahlen sollen.«
    Ishmael grinste, hier befand er sich auf sicherem Grund. Er würde sein Angebot so weit versüßen müssen, dass es zusammen mit der alten Distriktloyalität – soweit es die denn gab – jedes Gegenangebot überstieg. Die einstige Straßenratte würde ihn von der Notwendigkeit, seinen Köder zu vergrößern, in Kenntnis setzen. »Sie brauchen ein Quartier. Ruthen di Sommerlin betreibt auf der Perlenstraße ein Gasthaus. Es liegt auf der Nordseite, weit entfernt von den abgebrannten Vierteln. Sagen Sie ihm, ich hätte Sie geschickt.« Niemand, der in der Flussmark groß geworden war, würde Anstoß nehmen an dem Lebensstil, der in Ruthens Haus gepflegt wurde. Er vermutete sogar, dass die verblasste Pracht der burlesken Vergangenheit des alten Mannes Kip gefallen würde. Kip würde auf seine eigene Art zu der Gesellschaft dort passen – und für sie sorgen, falls Ishmael diese Sache hier nicht überlebte.
    »Mir scheint«, sagte Kip leise, »dass Sie sie beim nächsten Versuch Erfolg haben lassen sollten. Mit den Füßen voraus kommt man am einfachsten aus diesem Gefängnis.« Der Apotheker erhob sich und ließ seinen Peilruf über Ishmael gleiten. »Denken Sie darüber nach«, fügte er beiläufig hinzu.
    Telmaine
    Telmaine erkannte den Kammerdiener nicht, der sie in die Wohnung und in Balthasars Zimmer führte. Weder Lorcas noch Eldon waren zugegen und auch nicht Olivede Hearne, was sie erleichterte. Umringt von Zeitungen lag ihr Mann in seinem Bett. Sie wusste, dass sie ungelesen waren, weil Balthasar Zeitungen gewohnheitsmäßig in Fetzen riss, die jedes gewissenhafte Hausmädchen zur Verzweiflung trieben. Sein Gesicht war verkrampft vor Anspannung, selbst als er lächelte und für sie und Amerdale die Arme ausbreitete. Sie hatte sofort Angst, er könne einen Rückfall erlitten haben, aber als sie ihm die Hand in den Nacken legte, spürte sie keine größeren körperlichen Unbilden. Was seine Gefühle betraf, lagen die Dinge anders. Angesichts seines emotionalen Sturms sog sie scharf die Luft ein: Er versuchte erfolglos zu vermeiden, an irgendetwas zu denken, und das Einzige, was er damit erreichte, war dessen Zersplitterung. Um ihrer beider willen mühte er sich tapfer um

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