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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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vorher merkwürdig benommen hätten.«
    Er ließ seine Schlussfolgerung unausgesprochen: Dass sie dem Ruf der Schattenländer zum Opfer gefallen seien. Zu seiner Erleichterung erkundigte sich Vladimer nicht nach näheren Details.
    »Und hat es jemals ein solch ruhiges Jahr gegeben, soweit Sie wissen?«
    »Nein«, sagte Ishmael.
    Wenn sich im nächsten Jahr nichts änderte, gestand er sich im Stillen ein, würde er verrückt werden. Den halben Sommer lang war er rastlos durch die Flure und Räume seines Landsitzes gelaufen, ständig auf das Eintreffen eines verzweifelten Boten auf einem zu Schanden gerittenen Pferd gefasst, der ihm Nachricht von einem erneuten Einfall von Schattengeborenen brachte. Den Rest des Sommers war er gereist: Er hatte seine Nachbarn besucht, um deren Vorbereitung zu überprüfen und sie dabei zu beraten, hatte die Dörfer auf seinem eigenen Land kontrolliert und mit seiner Wache bestimmt die halbe Strecke der Grenze zu den Schattenländern abgeritten – und dabei ständig und hinter jeder Wegesbiegung mit einer Katastrophe gerechnet. Seine Männer hatten es genossen, wie Helden willkommen geheißen und von den Dörflern inmitten eines ertragreichen und ruhigen Sommers gastfreundlich willkommen geheißen zu werden. Er selbst war froh gewesen, einen Diener bei sich zu wissen, dem er befohlen hatte, ihn zu überwältigen, wenn er den Schattenländern einen Schritt näher kam als unbedingt nötig. Wenn Vladimer ihn jetzt für weniger ausgemergelt und gespenstisch hielt, musste er sich vorher in einem wahrhaft erbarmungswürdigen Zustand befunden haben.
    Vor ein paar Jahren noch hätte er Handschellen und Ketten zu seinen Patrouillenritten durch die Berge mitgenommen, so laut und drängend hatten ihn damals die Schattenländer gerufen.
    »Ishmael«, sagte Vladimer und klang leicht amüsiert, »jeder andere der Fürsten oder Barone meines Bruders hätte schon lange alle Welt von seinem Erfolg bei der Befriedung der Schattenländer in Kenntnis gesetzt.«
    »Und wäre damit auf dem Holzweg gewesen«, sagte Ishmael tonlos. Seit achthundert Jahren suchten die Schattengeborenen die Grenzländer heim und drangen zu Zeiten größter Unruhe noch weiter in die Zivilisation vor, und keine Aktion der Nachtgeborenen hatte die Schattengeborenen an diesem Treiben hindern können. Schattengeborene strömten über die Grenze, jagten, töteten und wurden getötet.
    Vladimer lächelte dünn. »Das ist auch mein Gefühl, obwohl ich Ihre Arbeit für den Aufbau eines Warn- und Verteidigungssystems an der Grenze nicht unterschätze. Unsere Grenzbefestigungen und Sicherheitsvorkehrungen sind stärker und besser, als sie es zwei Jahrhunderte lang waren, und darüber bin ich froh. Was meinen Sie als Fachmann für die Schattengeborenen, warum sie so ruhig sind?«
    »Das habe ich mich auch schon gefragt. Vielleicht haben die Lichtgeborenen irgendetwas unternommen?«
    »Sie würden doch irgendetwas von magischer Natur gespürt haben, oder nicht?«
    »Mylord«, sagte Ishmael mit einigem Unbehagen, »meine Magie ist nichts gegen die mancher Lichtgeborener.« Nachdem der gerissene Vladimer sich sicher gewesen war, dass Ishmael niemals versuchen würde, seine Gedanken zu lesen, hatte er sofort den Nutzen eines loyalen Magiers an seiner Seite erkannt. Die Dinge, die Ishmael für ihn getan hatte, mochten mitunter dessen Gewissen beunruhigt haben, doch einige waren schlicht gefährlich gewesen. »Ich weiß nicht, was ich gespürt haben würde und was nicht. Jedenfalls habe ich einem mir bekannten lichtgeborenen Magier eine Botschaft zukommen lassen, und ihm zufolge haben die Lichtgeborenen im Hinblick auf die Schattenländer oder die Schattengeborenen nichts unternommen. Die Lichtgeborenen sprechen nicht über die Schattengeborenen.«
    »Eines Tages«, grübelte Vladimer, »werde ich erfahren, warum die Lichtgeborenen die Grenzlande aufgegeben haben.« Mit einer lässigen Handbewegung tat er den Gedanken ab. »Sie werden also keine Hilfe sein. Was sonst lässt sich sagen?«
    »Die Schattengeborenen müssen essen und trinken; so viel wissen wir.« Er brauchte nicht näher auszuführen, was sie aßen oder woher er es wusste; Vladimer ließ sich von allen Grenzverletzungen der Schattengeborenen unterrichten und besaß Kopien sämtlicher wissenschaftlicher und spekulativer Literatur darüber, selbst von den Berichten in deren sensationslüsternen Zeitungen. Kaum jemand aus der Aristokratie, der seinen Sitz nicht im Grenzland hatte,

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